Johannes Stüttgen wird 60!

(am Montag, den 24. Januar 2005)

Es ist jetzt 27 Jahre her, daß ich Johannes Stüttgen kennenlernte. Gehört habe ich von ihm schon ein paar Jahre vorher, als in einer anthroposophischen Monatszeitung zu lesen war, in Gelsenkirchen gebe es einen verrückten Kunsterzieher, der in einer Kunst-AG mit seinen Schülern in einem Kellerraum(?) arbeitete, wo alle Bänke rot gestrichen und die Wände weiß gekalkt seien. Als Ziel hätten sie sich vorgenommen, daß jeder Gelsenkirchener Bürger einmal das Wort „Dreigliederung“ gehört haben müsste.

„Na“, dachte ich, „endlich mal was Neues in Sachen "Dreigliederung", ohne zu ahnen, daß uns gerade diese Methode, nämlich Kunst und „Politik“ zu verbinden, mehr und mehr zusammenführen sollte. (Bis heute weiß ich jedoch nicht, ob diese Geschichte wahr ist, oder ob dem Redakteur oder mir die Phantasie durchgegangen ist.)

 

Kurze Zeit später fielen Johannes Stüttgen und seine „Rasselbande“, den Schülern des Kunst-AG des Gelsenkirchener Grillo-Gymnasiums, in Achberg ein und zwar an Ostern 1978 anlässlich eines Vortrages von Joseph Beuys zu dem Thema „Jeder Mensch Künstler – Auf dem Weg zur Freiheitsgestalt des sozialen Organismus“. Die frische Jugendlichkeit zeigte sich jedoch nicht nur in deren Redebeiträgen, sondern auch im gesamten Habitus und Outfit, wie man heute sagen würde. Sie waren allesamt in schwarzen Lederklamotten und wohl z.T. auch mit Motorrad angereist (oder fügt das meine Phantasie auch diesmal hinzu?).

Auf jeden Fall brachten die Jungs mit ihrem Kunsterzieher den damaligen Waldorflehrer und jungen Familienvater gehörig ins Schwitzen, u.a. mit der Bemerkung, als wir die Schülerstühle aus der Schulbaracke in Neuravensburg zum Vortrag abholten, daß nämlich die „durch Wanne gezogenen“ Aquarell-Bilder der Schüler wohl kaum die Individualität ausdrückten (bzw. man diese nicht durch eine solche Methode fördern könne), da sie unisono alle gleich gemalt und damit ja wohl gleichgeschaltet seien ....

Diese Begegnung jedoch sollte der Auftakt einer Vielzahl von Vorträgen, Veranstaltungen und Gesprächen sein, die ich damals in den 80er Jahren dann im Rahmen der Freien Volkshochschule Argenthal, einer Zweigstelle der FIU, organisieren, als auch dann in den 90er Jahren im FIU-Verlag publizieren sollte. Einer dieser Vorträge jedoch blieb mir am lebhaftesten in Erinnerung und zwar „Die Frage nach dem Sinn der Technik“ gehalten am 9. November 1984 im Kornhaus in Wangen. Dieser Vortrag sticht wohl nicht nur aus meiner Sicht besonders hervor, u.a. durch die Tatsache, daß ihn Johannes quasi „allein“ hält, da nicht einmal der Name von Joseph Beuys fällt. Des weiteren untersucht er in einem sehr einfachen, unprätentiösen Bild, nämlich durch die Schilderung der Autofahrt von Düsseldorf nach Wangen ein Problem, das uns seitdem noch wesentlich stärker als damals bedrängt, nämlich „Die Frage nach dem Sinn der Technik“.

Dabei kommt er zu dem denkwürdigen Satz: „Ich bin heute mit dem Auto von Düsseldorf nach Wangen gefahren, um hier diesen Unsinn wieder gutzumachen. Das ist der Sinn der Technik.“ Dieser Satz ist genial und irgendwie typisch Stüttgen, da er schlicht, fast unscheinbar und doch frappierend ein Licht auf die Wirklichkeit wirft, ohne moralisch zu sein; denn Moral (zumindest den alten, überkommenden Moralbegriff, der sich häufig genug als Doppelmoral herausstellte) scheut nicht nur er, sondern viele aus seiner gesamten Generation der 68er, die ja angetreten sind, um gerade diese zu überwinden, was nicht heißen will, daß er/sie unmoralisch wurde/n.

 

Den 60. Geburtstag von Johannes Stüttgen habe ich zum Anlaß genommen, nun endlich – 20 Jahre danach! – diesen Vortrag zu publizieren, so daß ich womöglich am Montagabend in Düsseldorf sagen kann: Ich bin heute mit dem Auto von Wangen nach Düsseldorf gefahren, um hier diesen Unsinn (wenigstens ein wenig) wieder gutzumachen.“ Dafür danke ich der Technik und aber auch ihm, Johannes Stüttgen, von ganzem Herzen,

verbunden mit den Wünschen für weitere und noch viele Einsichten und Taten auf unserem gemeinsamen Ideenweg

(oder auch jeder auf seinem)!

rainerrappmann

*) Anmerkung

„Alle wirklichen Philosophen waren Begriffskünstler. Für sie wurden die menschlichen Ideen zum Kunstmateriale und die wissenschaftliche Methode zur künstlerischen Technik. Das abstrakte Denken gewinnt dadurch konkretes, individuelles Leben. Die Ideen werden Lebensmächte. Wir haben dann nicht bloß ein Wissen von den Dingen. Sondern wir haben das Wissen zum realen, sich selbst beherrschenden Organismus gemacht; unser wirkliches, tätiges Bewusstsein hat sich über ein bloß passives Aufnehmen von Wahrheiten gestellt.“ Rudolf Steiner, zweiter Anhang zur „Philosophie der Freiheit“, Dornach div. Ausg.


kurzer Lebenslauf

Johannes Stüttgen Gesellschafter des OMNIBUS. Geboren 24.1.1945 - wohnhaft in Düsseldorf, freier Künstler;

1966-71 Studium Kunstakademie Düsseldorf bei Joseph Beuys

1970 Gründung der Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmung mit Joseph Beuys in Düsseldorf Büro Andreastr.

1971-80 Kunsterzieher Grillo-Gymnasium Gelsenkirchen

1980-86 Geschäftsführer der Free International University (FIU)

seit 1987 Omnibus für Direkte Demokratie in Deutschland

seit 1990 Unternehmen Wirtschaft und Kunst - erweitert Aktion und Grundlagenforschung "erweiterter Kunstbegriff".

 


Publikationen von und mit Johannes Stüttgen im FIU-Verlag, D-88239 Wangen/Allgäu, www.FIU-Verlag.com

* Johannes Stüttgen: "DIE FRAGE NACH DEM SINN DER TECHNIK UND DAS "ERDTELEPHON", 16,- * 26,70 sFr., Bestell-Nr. B 33

* Thomas Meyer / Johannes Stüttgen: KUNSTWERK VOLKSABSTIMMUNG - Die spirituellen und künstlerischen Hintergründe der Direkten Demokratie, & ein Text von Joseph Beuys, 18,- € * 32,70 Sfr. Bestell-Nr. B 23

* Dr. Rhea Thönges-Stringaris: "JE LÄNGER ABER DAS EREIGNIS SICH ENTFERNT …" Zu Joseph Beuys und Peter Handke u.a. m.e. Interview m. Johannes Stüttgen, 28,- € * 42,- sFr. Bestell-Nr. B 27

* Christoph Schlingensief & Johannes Stüttgen: ZUM KAPITAL - Als Christoph Schlingensief das Unsichtbare gesucht hat, 15,80 € * 28,80 Sfr. Bestell-Nr. B 28

* Vorzugsausgabe: Buch mit Videotape sowie zwei Siebdrucken v. den Autoren sign. u. v. Stüttgen mit Schwefeldurchreibedruck versehen, 60,- € * 92,- Sfr. Bestell-Nr. B 29

* Omnibus - gemein. GmbH für Direkte Demokratie(Hrsg.): OMNIBUS u.a. mit Texten von Stüttgen 17,80 € * 32,30 Sfr. Bestell-Nr. B 30

* Ingrid Christiane Krumm / Helmut Krumm (Hrsg.): DIE IDEALE DER 68-ER - 33 JAHRE SPÄTER, Wo sind sie geblieben? Was ist aus ihnen geworden? 15 Gespräche u.a. mit Johannes Stüttgen, 14,80 € * 26,90 sFr. Bestell-Nr. B 31

* Rainer Rappmann(Hrsg.): DENKER, KÜNSTLER, REVOLUTIONÄRE - Beuys, Duschke, Schmundt, Schilinski: Vier Leben für Freiheit, Demokratie und Sozialismus, mit Beiträgen u.a. von Johannes Stüttgen, 24,- € * 37,- sFr. Bestell-Nr. B 13

* Johannes Stüttgen: ZEITSTAU - Im Kraftfeld des Erweiterten Kunstbegriffs von Joseph Beuys, 29,80 € * 46,- sFr. Bestell-Nr. B 22

* Rainer Rappmann(Hrsg.): DIE KUNST DES SOZIALEN BAUENS - Beiträge zu Wilhelm Schmundt u.a. von Johannes Stüttgen, 18,- € * 28,- sFr. Bestell-Nr. B 05

* Johannes Stüttgen: DER PLASTISCHE UMSTÜLPUNGSVORGANG, 15,- € * 23,- Sfr. Bestell-Nr. B 04

* Brigitte Krenkers, Johannes Stüttgen: AKTION OST/WEST - Omnibus für Direkte Demokratie in Deutschland, 14,- € * 22,- sFr., Bestell-Nr. B 43

* Johannes Stüttgen: FREIE INTERNATIONALE UNIVERSITÄT, Free International University (FIU) - Organ d. Erweiterten Kunstbegriffs für d. Soziale Skulptur, 3,- € * 5,- sFr. Bestell-Nr. B 02

 


Ob die "Soziale Plastik", der "Erweiterte Kunstbegriff" oder die "Direkte Demokratie" - der Geist Joseph Beuys wirkt weiter. Nicht zuletzt durch seinen Meisterschüler und langjährigen Mitarbeiter Johannes Stüttgen. Erst im September diesen Jahres zeichnete ihn die Brooks University in Oxford mit der "Honorary Fellowship" für seine Arbeit an der "Sozialen Skulptur" aus. Der in Düsseldorf lebende und arbeitende Künstler wird am 11. November einen Vortrag zum Thema "Kunst und Politik" halten. Darin wird er über den erweiterten Kunstbegriff im Sinne Joseph Beuys sowie die "Direkte Demokratie" sprechen.

Stüttgen, 1945 in Düsseldorf geboren, studierte von 1966 bis 1971 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Josef Beuys. Er gilt als Mitbegründer der Aktion OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE IN DEUTSCHLAND, die 1987 aus der Initiative "Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung" hervorging. Letztere hatte Beuys einst 1970 in Düsseldorf auch mit Stüttgen ins Leben gerufen. Dahinter stecke Beuys Gedanke, dass eine Direkte Demokratie in Deutschland unverzichtbar sei, um seine Idee der "Sozialen Skulptur" - auf der Grundlage seines anthroposophisch besetzten "Erweiterten Kunstbegriffs": jeder Mensch ist ein Künstler - einer Verwirklichung entgegenzuführen.

Mit dem Begriff "Soziale Skulptur" hat der Schamane die Vorstellung eines weltweiten Kunstwerkes bezeichnet: die menschliche Gesellschaft als Schöpfung eines sozialen Organismus, begründet auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mit einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls.

Der OMNIBUS wurde am 14. September 1987 auf der Documenta 8 in Kassel ausgestellt und war schließlich sieben Jahre in Deutschland unterwegs. Seit 2000 fährt der zweite OMNIBUS. Er hat bisher in über 200 Städten Station gemacht.

Am 11. November um 17 Uhr "hält" der OMNIBUS auf Einladung von Professor Wilfried Korfmacher, Dekan des Fachbereichs Design, in der Fachhochschule. Mit dem Vortrag von Johannes Stüttgen sollen junge Menschen die Gelegenheit bekommen, den bedeutendsten Impuls von Joseph Beuys kennen zu lernen. Zu der Veranstaltung sind alle Interessierten herzlich eingeladen.

11. November, 17 Uhr

Vor dem "Café Freiraum"

Josef-Gockeln-Straße 9

40474 Düsseldorf