04. Dezember 2006 - Spiegelung der FAZ Seite http://www.faz.net/s/Rub3DFC0DABC5664C30AC70700DD10A965D/Doc~EBCB803F5E36247A2863025B8F5A379CD~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Kommentar : Jute für Beuys von Konstanze Crüwell

 Proteste in aller Welt hat es ausgelöst, daß der weltberühmte Darmstädter „Block Beuys“, der seine Wirkung auch aus der magischen Raumsituation bezieht, einer drastischen Veränderung unterzogen werden soll: Bei der bevorstehenden Sanierung des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt werden die bisher mit brauner Jute bespannten Wände der Beuys-Räume künftig in properem Weiß verputzt werden. Auch der graue Teppichboden soll verschwinden und durch Industrie-Estrich oder Parkett ersetzt werden. Diese Entscheidungen hat Ina Busch, die Direktorin des Museums, jetzt verkündet.

Wenn sie ihre Beschlüsse auch mit dem „Joseph Beuys Estate“, der Witwe und den Kindern des Künstlers, abgesprochen hat, so dürften ihre Maßnahmen doch irreversible bis desaströse Folgen zeitigen. Denn es geht hier ja nicht um beliebig präsentierbare Vitrinenkunst. Es geht um ein unvergleichliches Gesamtkunstwerk, das so authentisch ist wie kaum ein anderes Werk der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dieser bedeutendste Werkkomplex des Künstlers wird seine einzigartige Aura mit Sicherheit verlieren, wenn er erst einmal in „white cubes“ üblicher Art untergebracht ist. Auch wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, die Geschichtlichkeit dieser grandiosen Installation zu erleben, die so eng mit Joseph Beuys verbunden ist und seine künstlerische Haltung so anschaulich zeigt wie kaum ein anderes Werk.

257 Objekte und Skulpturen installiert

Mehr als 100 Tage lang hielt sich der Künstler im Jahr 1970 im Museum auf, um in den von ihm als „Werkstatt“ bezeichneten Räumen eigenhändig 257 Objekte und Skulpturen und 26 Zeichnungen so zu installieren, daß sie in einer „statischen Aktion“ in Beziehung miteinander treten konnten. Dabei orientierte er sich an den von ihm hochgeschätzten naturwissenschaftlichen Sammlungen des Hauses.

Gegen die Entfernung der Jute-Wandbespannung spricht auch, daß die Kubatur der Räume dadurch wesentlich verändert würde, aber vor allem, daß Beuys die alte Jutebespannung in diesen Räumen im Jahr 1970 als „historisch“ akzeptiert hat. Das ist ebenso zweifelsfrei dokumentiert wie die Tatsache, daß sich der Künstler 1984, also zwei Jahre vor seinem Tod, explizit dagegen gewandt hat, die mittlerweile zu einem dunklen Braun abgestumpfte Jute auszuwechseln. Das sollte auch heute noch gelten: Die Jute-Wandbespannung sorgfältig zu restaurieren, den „Block Beuys“ im übrigen aber unangetastet zu lassen, ist der einleuchtendste Weg, um das Werk dieses Künstlers auch weiterhin zu bewahren und so authentisch wie möglich zu vermitteln.

Text: F.A.Z.