Briefe an die HerausgeberFrankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2006, Nr. 289, S. 10
Kein Bestandteil der Beuys-Installation
Im Beitrag von Konstanze Crüwell "Block Beuys - bald vor weißen Wänden?" (F.A.Z.-Feuilleton vom 2. Dezember) wird mitgeteilt von Dieter Koepplin, daß dokumentiert sei, "daß Beuys 1984 geäußert habe, er wolle Wände und Böden in ihrer damaligen Form beibehalten".
Das ist eine falsche Behauptung. Ich habe von 1968 bis 1970 mit Joseph Beuys, unter anderem auch im Kunstmuseum Basel, achtmal den Beuys-Block auf- und abgebaut. Als wir 1970 im Frühjahr im Hessischen Landesmuseum eintrafen, stand nicht der Beuys-Block im Fokus der Aufmerksamkeit, sondern die Werke der amerikanischen Künstler. Nach unangenehmen Auseinandersetzungen (Hausverbot gegen mich) und durch die pädagogische Geduld von Joseph Beuys waren der Sammler Karl Ströher und der Direktor des Hauses Gerhard Bott bereit, die oberen Räume für die Sammlung freizugeben. Das wurde dem Museum natürlich auch dadurch erleichtert, daß Karl Ströher einen Lift bauen und ein Dachgeschoß (Knochenkammer) auf seine Kosten ausbauen ließ. Bei den Vorbesprechungen, was nun in den Räumen zu ändern sei, da ja ganz andere Kunstwerke Einzug halten sollten, haben wir die Plüschbänke entfernt und die Wände mit weißem Nessel bespannen lassen. Der billigste Weg.
Die aus klimatechnischen Gründen vorgesetzten Holzwände mit ihrer alten Bespannung durften nicht in Frage gestellt werden, obwohl sie schon damals ihren Zweck nicht mehr erfüllten. Am Fußboden (Parkett) bestand keine Kritik, außer daß ausgerechnet in den für Beuys vorgesehenen Räumen unlängst ein grauer Teppichboden verlegt worden war. Die vorgesetzten Holzwände in den Beuys-Räumen waren ebenfalls tabu. Bott zeigte Beuys verschiedene Proben für die Wandbespannung, und Beuys sagte: "Das will ich nicht, der Stoff wird in einigen Jahren teebraun." Gerhard Bott und seine Kuratoren wollten das nicht glauben. Beuys sagte: "In diesen Stoffen sind durch die Bearbeitung (feuerfest, Ungeziefer) Salze, die auskristallisieren und durch Photosynthese braun werden, Holländer haben früher Stoffe mit Tee gefärbt, so sieht das dann aus."
Nun, das Wesentliche ist doch heute: Ist diese unglückliche, überholte Einrichtung nun ein schützenswerter Bestandteil der Beuys-Installation? Joseph Beuys soll hundert Tage in Darmstadt verbracht haben, um seine Arbeiten im Museum einzurichten. Da er die ganze Zeit bei mir wohnte, müßte ich das wissen. Dem war nicht so. Die Einrichtung der Beuys-Räume wurde von Notwendigkeiten bestimmt: Statik, keine schweren Gegenstände, in die Mitte der Räume, Begehbarkeit durch die Besucher, schützenswerte empfindliche Sachen (Erdtelefon) zur Seite stellen und große Gegenstände, die an die Wand gelehnt werden mußten, an die große Wand bringen. Die Vitrinen kaufte ich (unter anderem vom Senckenberg-Museum in Frankfurt), da das Landesmuseum zu wenig hatte. Also der Fettstuhl (hochempfindlich) kam in die Vitrine. Jetzt zu behaupten, der verwahrloste Zustand der bespannten, vorgesetzten Wände in den Räumen von Beuys wäre Bestandteil seiner Installation, ist Unfug. Die unglaubliche Zartheit der Farbgebung aller Beuys-Werke verträgt sich nicht mit Schmutz, der durch Putzen und Zeit entsteht. Beuys war zufrieden, daß seine Werke in einem von Goethe inspirierten Bildungsmuseum untergekommen waren, wo sie sich in Korrespondenz mit den Werken von Dan Flavin, Walter de Maria und Andy Warhol befanden. Die naturwissenschaftliche Abteilung des Hauses empfand Beuys als Antipode seiner eigenen Räume.
Ich danke dem Museum, daß es 36 Jahre nach der Ersteinrichtung willens und fähig ist, die Beuys-Arbeiten ohne den Plunder der Vergangenheit neu einzurichten. Zum Estrich, der als Bodenbelag vorgeschlagen wurde: Für Beuys wäre Estrich im zweiten Stock unvernünftig. Die Böden, die er bevorzugte, waren Stein, Holz oder Linoleum. Alle Böden im Haus sollen eine ästhetische Einheit bilden (denken Sie an die Eingangshalle und die Natursteintreppen im Haus). Fußleisten lehnte Beuys regelrecht ab.
Vor der Guggenheim-Ausstellung 1979 in New York fragte ich ihn, ob die Rampe im Frank-Lloyd-Wright-Bau nicht hinderlich sei für seine Einrichtung: Da strahlte er mich an und sagte: "Franz, ich stelle meine Sachen auch jederzeit in den Alpen aus." Ich fragte weiter: "Wo am liebsten?" Da sah er mir in die Augen und sprach: "Am liebsten am Wilden Kaiser" und lachte.
Franz Dahlem, New York