Beuys mochte das Teebraun nicht

VON GEORG IMDAHL, 19.12.06, 07:03h

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Hessisches Landesmuseum bekräftigt Plan, das Beuys-Ensemble zu erneuern.

Sind die Räume des "Beuys-Block" im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, des größten, bedeutendsten und skurrilsten Ensembles des 1986 gestorbenen Künstlers, unantastbar? Verbietet sich eine Restaurierung von Boden und Wänden mit ihren zahlreichen Installationen, Objekten und Vitrinen, weil Beuys ihren Zustand zu Lebzeiten abgesegnet hatte und sie somit als Teil einer Präsentation "letzter Hand" geschützt werden müssen? Dieser aufwühlende Streit um einen der herausragenden Werkkomplexe der Kunst des 20. Jahrhunderts überhaupt polarisiert die Kunstszene.

Joseph Beuys hatte ihn 1970 und 1986 in zwei Etappen eigenhändig eingerichtet, was gerade bei diesem Künstler wie bei kaum einem anderen in der Gegenwartskunst einem besonderen Gütesiegel der Echtheit gleichkommt. Nirgendwo sonst kann man Beuys so authentisch und umfassend erleben wie in Darmstadt. Nun aber hat Ina Busch, seit 1998 amtierende Direktorin des hessischen Museums, in dem auch zoologische und urgeschichtliche Funde gezeigt werden, ihr Vorhaben bekräftigt, auch die Räume des "Darmstädter Block" genannten Komplexes umfassend zu sanieren, wenn das Haus im September 2007 zwecks dringend notwendiger Generalüberholung bis 2011 geschlossen wird.

Die Auseinandersetzung unter den Beuys-Interpreten hat sich namentlich an der Jutebespannung der Wände entzündet, hinter denen sich heute veraltete Haustechnik verbirgt: Im Lauf der Jahrzehnte haben sie eben jene "teebraune" Färbung angenommen, die Beuys bei der Einrichtung warnend vorausgesagt, aber - nach übereinstimmendem Zeugnis von Zeitzeugen - widerwillig eben doch in Kauf genommen hatte. Paradoxerweise gilt diese Verfärbung, die man jedem anderen künstlerischen Werk ersparen würde, im Sonderfall Beuys mit guten Argumenten als Zeugnis der Echtheit. In jedem Fall korrespondiert sie stimmig mit den rund 250 plastischen Arbeiten aus der Zeit seit 1949. Unter ihnen befinden sich Schlüsselwerke wie der Fettstuhl von 1963, zudem wichtige Filzobjekte aus den Jahren 1964 bis '67. Da Beuys diese Umstände gebilligt und ihnen damit das Wasserzeichen des Authentischen verliehen hat, so das Argument der Gegner einer Restaurierung, zu denen etwa der Basler Beuys-Kenner Dieter Koepplin zählt, gelte es sie zu bewahren.

Inzwischen plädiert aber eine Reihe von Beuys-Kennern unter den Kuratoren, Künstlern und Galeristen für einen offensiven Umgang mit dem Beuys-Block im Sinne von Reinigung und Musealisierung. "Die Sanierung ist ein Zwang von außen, dem man sich stellen muss", sagt Johannes Stüttgen, Düsseldorfer Künstler und langjähriger Schüler und Mitarbeiter Beuys'.

"Das wäre Kitsch"

Er sei "gegen jede Form einer Rekonstruktion" von Wandverkleidungen und doppelten Decken, die Beuys in Kauf genommen, nicht aber als Werkbestandteil intendiert habe: "Das wäre Kitsch." Wer sich auf die "Atmosphäre und Aura" des Werkensembles berufe, "darf nicht im Äußerlichen stecken bleiben", so Stüttgen, der sich im Gespräch mehrfach auf den Werkcharakter beruft und betont, nicht für Beuys sprechen zu können.

"Man kann das gar nicht alles konservieren", meint Armin Zweite, Direktor der Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, ähnlich deutlich und spricht sich gegenüber dieser Zeitung für einen "konstruktiven, produktiven" Umgang mit dem Komplex aus. Beuys habe große Arbeiten selbst in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen entfaltet. "Die Aura um jeden Preis zu bewahren, ist nicht anzuraten", sagt Zweite, der 1992 in Düsseldorf eine große Retrospektive eingerichtet hatte, in welcher er seinerseits jeden Versuch von sich gewiesen hatte, Beuys' Stil der Inszenierung zu imitieren. Dem Werk wohne ein "transformatorisches Moment" inne, das zur eigenen Verantwortlichkeit aufriefe. Zweite: "Es geht kein Weg daran vorbei, die Jutebespannung zu ersetzen."

Die Museumsdirektorin kann sich auf eine Übereinstimmung mit dem Nachlass Beuys' und dessen Witwe Eva Beuys berufen. Geplant ist demnach, die Wände mit jenem von Beuys geschätzten und in seinem Atelier verwendeten Garganokalk zu tünchen und die Teppichböden durch Estrich oder Parkett zu ersetzen, soweit sie nicht, wie in einem der Räume, mit künstlerischen Spuren Beuys' versehen seien. Ihre Wahrnehmung des jetzigen Status quo offenbart den Grundlagenstreit, in den Busch die Beuys-Auslegung mit ihren Plänen gestürzt hat: "Schon Mitte der 90er war mir der Zustand unerklärlich. Als ich 1998 ans Museum kam, wurde mir bedeutet, man dürfe nichts anrühren."

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