Dem Beuys-OEuvre zuliebe< von Dieter Koepplin, Basel - FAZ, 22.12.2006Leser Franz Dahlem ("Kein Bestandteil der Beuys-Installation", F.A.Z. vom 12. Dezember) muß ein mirakulöses Gedächtnis besitzen, daß er heute noch ein 1970 geführtes Gespräch zwischen dem Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt, Gerhard Bott, und Joseph Beuys ganz genau und die komplexe Aussage von Beuys zwischen Anführungsstrichen wiedergeben kann, zumal ihm damals (wann genau?) Bott Hausverbot erteilt hat. Es ging um die Wandbespannung in den Räumen des Blocks Beuys. Dazu sagen andere, mindestens so zuverlässige Zeugen: Diese hellbeige Wandbespannung war bereits vorhanden, als Beuys mit der Installation seiner Werke begann. Jedenfalls rechnete Beuys damit ebenso wie mit dem grauen Spannteppich, auf den er 1984 die so wesentliche, nämlich das Bild des"Weges" (zum Durchgang hin) visualisierende gelbe Bodenlinie entweder selber anbrachte oder, was als Werkbestand ebenso gültig wäre, unter seinen Augen durch einen Mitarbeiter anbringen ließ. Vielleicht ist es die einzige Bodenzeichnung "von" Beuys, die noch erhalten geblieben ist (es gab mehr davon).
Daß Beuys 1984 geäußert hat, er wolle die bespannten, inzwischen gebräunten Wandstoffe und alles andere von Block Beuys beibehalten, ist keine " falsche Behauptung". Sie wurde 1988 durch den damaligen Darmstädter Museumsdirektor Wolfgang Beeh publiziert, als er über eben-jene Wandbespannung schrieb, daß sie " auch auf Geheiß des Künstlers 1984 nicht erneuert werden durfte" (Vorwort zu: Joseph Beuys im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, 1988). Wie auch immer man diese sicher zuverlässig überlie-
ferte Aussage von Joseph Beuys verstehen mag, wer will darüber einfach hinweggehen? Wer will vom "Plunder der Vergangenheit" sprechen und mit frischem Mut "Beuys spielen"? Daß die inzwischen marode gewordene Wandbespannung und möglicherweise auch der Bodenteppich mit sozusagen denkmalpflegerischen oder restauratorischen Methoden erneuert werden können - die Wände mit einem besser haltbaren Stoff in der ursprünglichen hellbeigen Farbe -, darf wohl akzeptiert werden, nicht aber eine Bereinigung" in Form von weißen Wänden, mit denen Beuys in den Darmstädter Räumen bei seiner eigenhändigen Installation nicht gerechnet hat.
Beuys akzeptierte die gegebenen Verhältnisse, so wie er notfalls - Dahlem weiß die Aussage von Beuys, der ihm "in die Augen sah", wiederum wörtlich zu berichten - die Alpen als Standort für seine wichtigsten plastischen Werke akzeptiert und darauf mit ihnen künstlerisch kooperiert hät-te (was er in bestimmten Werken auch wirklich mit den Alpen und mit anderen Bergen getan hat). Müßten wir in diesem Fall dem Beuys-CEuvre zuliebe den entsprechenden alpinen Standort zu konservieren versuchen? Es wäre gar nicht so übel. Beuys auf dem Berg statt in den Museumssälen: ein schönes Bild.
Lieber Freund Franz Dahlem: Gib uns bitte noch weitere Beuys-Worte! Im angeblichen "Verbessern" der Darmstädter Installation und ihrer fälschlich so genannten "Hülle" wünschte ich mir sowohl von den Personen, die ehemals "dabei waren" und sich jetzt zuviel zutrauen, als auch von der Museumsdirektorin mehr Zurückhaltung.
Dieter Koepplin, Basel
- FAZ, 22.12.2006