Beuys erregt die Gemüter noch immer
Viele heftige Wortbeiträge zur Podiumsdiskussion
BLOCK BEUYS im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt - Blick in Raum 2. (Foto: Landesmuseum Darmstadt)
DARMSTADT. Bisweilen schien es, als ginge in der Gemengelage der vielen heftigen Wortbeiträge zur Diskussion im Darmstädter Landesmuseum bei manchem der vielen Zuhörer der Blick nach oben, als erhoffe man sich himmlischen Rat vom Künstler, wo seine Epigonen so im Sinne des Wortes laut streiten.
Doch Joseph Beuys ist tot, und die schwierige Entscheidung darüber, was bei der Grundsanierung des Landesmuseums mit den sieben Räumen des Beuys-Blocks geschehen soll, fällt im Hier und Jetzt.
Die Entscheidungen sind nun getroffen worden: Museumsdirektorin Ina Busch stellte der Öffentlichkeit ihr Konzept, das in Einklang mit dem Estate Beuys und der Familie Eva, Wenzel und Jessyka Beuys erarbeitet wurde, am Donnerstag bei der Podiumsdiskussion vor.
Der "neue" Block Beuys wird bei der Wiedereröffnung des Museums im Jahr 2011 Böden ohne jeden Teppichbelag haben und helle Putzwände zeigen statt des Brauntons der aktuellen, maroden und vor allem seit der Einrichtung der Räume stark nachgedunkelten Wandbespannungen.
Gedacht war laut der Einladung ein Abend, bei dem diese Informationen an die Presse mit der Diskussion sechs kompetenter Beuys-Kenner und mit Wortbeiträgen aus dem Publikum gekoppelt werden sollten. In den drei Stunden wurde jedoch nicht nur referiert, Position für oder wider die Veränderungen bezogen oder sehr sachkundig gefragt aus dem Publikum.
Zu erleben war aber auch ein trauriges Kapitel deutscher Streitkultur: Wer soll und darf bestimmen, wenn Entscheidungen so umstritten sind wie diese Umbrüche? Von Amts wegen trägt die Museumsdirektorin die Verantwortung ohne jedes Wenn und aber - was Ina Busch auch sehr bewusst ist, wie sie sagte.
Von den guten Gepflogenheiten der internationalen Kunstszene her verschweigt man bei solchen Eingriffen jedoch auch kritische Stimmen nicht: Dafür gab es in diesem Fall nicht nur das Podium, sondern auch die Fragen aus dem Publikum.
Dieses Angebot wurde jedoch zur Plage des Abends. Denn eine Gruppe von Kritikern um Manfred Stumpf, Künstler und Professor an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung, machte ihrer kritischen Meinung immer wieder nicht nur laut, sondern in Angriffen auf die Museumsdirektorin und einen Diskussionsteilnehmer auch sehr beleidigend Luft. Das ist schade, denn Gefühle gehören zur Diskussion um den Block Beuys sicher genauso wie die Sachlage.
Dieter Koepplin, ein ausgewiesener Beuys-Kenner, der mit dem Künstler auch Ausstellungen in Basel gestaltet hat, war der kompetente Diskussionsleiter. Ihm gelang es, leise, aber eindringlich Fragen an die Diskussionsteilnehmer mit kritischen Einwürfen zu verbinden: Es sind in der Tat gravierende Einschnitte, die Ina Busch verantworten muss.
Die Museumsleiterin verwahrte sich jedoch dagegen, dass "in einem ansonsten unveränderten Haus nur die Veränderung des Block Beuys ins Auge gefasst" sei. "Die Geschichte geht anders herum", so die Museumsdirektorin.
"Die Grundsanierung betrifft das ganze Haus, auch die Hülle um den Block Beuys. Dort, wo eine Klimaanlage hineingehört, kommt sie auch in die Räume, und die Beleuchtung wird auf den schönsten und für die Werke verträglichsten Stand gebracht."
Ihr Fazit: "Die Sachlage ist sehr kompliziert, aber auch sehr einfach: Es gibt nicht die absolute Wahrheit." Auch deshalb will sie den alten Teppichboden und die Wandbespannungen erhalten: "damit mein Nachfolger auch in 15 Jahren noch in der Lage ist, alles rückgängig zu machen".
Wie schwierig der Umgang mit dem originalen Beuys ist, war zuvor in den Referaten und in den Statements der Podiumsteilnehmer klar geworden. Der Darmstädter Kustos Klaus-D. Pohl vertrat die Position des Hauses, indem er den Weg der Kunstwerke von ihren ersten Ausstellungen ins Landesmuseum nachzeichnete.
In Pohls Ausführungen wie in den Bemerkungen des Podiumsteilnehmers Götz Adriani, der zur Zeit der Aufstellung des Blocks der zuständige Kustos war, wurde deutlich, dass Beuys selbst die Ausstattung der Räume anfänglich wohl nur akzeptierte, nicht aber liebte, sich später jedoch mit dem Ensemble auch identifizieren konnte.
Aber: Pohl vertritt die Position des Landesmuseums, Adriani fürchtet hingegen, dass durch die neuen Wände und den neuen Boden der Raum-Eindruck zu stark verändert wird.
Gegen den gravierenden Eingriff in die Darmstädter Räume argumentierte neben Adriani auch Thomas Wagner von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er meinte, wenn man schon so ändere, dann könne man ja gleich alles neu arrangieren.
Das ist eine Idee, auf die in München wohl niemand gekommene wäre, als dort die ebenfalls von Beuys selbst arrangierte Installation "Das Ende des 20. Jahrhunderts" im Jahr 2002 aus der Staatsgalerie moderner Kunst in den Neubau der Pinakothek der Moderne anstand.
Carla Schulz-Hofmann, die stellvertretende Generaldirektorin der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, berichtete in einem spannenden Referat über ihren Weg zu der schwierigen Entscheidung, dieses Kunstwerk aus seiner originalen Umgebung zu verlagern.
Die erfrischendsten Beiträge des Abends kamen jedoch von Johannes Stüttgen (Düsseldorf) und Urs Raussmüller (Schaffhausen), die Beuys beide nicht nur gekannt, sondern auch beim Umgang mit seinen Werken und Ausstellungen erlebt haben.
Stüttgen, der Ende der achtziger Jahre dafür gekämpft hat, dass der Block in Darmstadt blieb, ist heute ein Befürworter der Veränderung: "Stimmigkeit ist eine Frage der Lebendigkeit, nicht eines Dogmas", erklärte er. Und "Beuys hätte gerne weiße Wände. Jetzt ist es Zeit zu putzen."
Raussmüller, selbst von Hause aus Künstler, Initiator und Leiter der Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen, berichtete zunächst davon, wie es zur Beuysschen Raum-Installation "Das Kapital Raum 1970-1977" in seinem Haus kam und dass es - anders als in Darmstadt - "so marginal ist, wenn eine Heizung eingebaut wird. Es ist und bleibt ein Industriegebäude, dass sich leicht unterhalten lässt".
Seine Einschätzung des Darmstädter Problems: "Da redet man von Estrich. Aber bis jetzt weiß doch noch niemand, wie er aussehen wird. Man muss den Leuten zutrauen, dass sie den Fortgang Schritt für Schritt begleiten und nach Glaubwürdigkeit fragen."
Einen zusätzlichen Hintergrund-Text zur Geschichte des Block Beuys gibt es im Feuilleton der Samstagausgaben (02.12.2006) der ECHO-Zeitungen.
Annette Krämer-Alig
1.12.2006 , Darmstädter Echo
Der Künstler hat die Werke selbst aufgestellt
DARMSTADT. Das Hessische Landesmuseum Darmstadt besitzt mit dem Block Beuys den weltweit größten, bis jetzt authentischen Werkkomplex von Joseph Beuys (1921 ?1986). Anders als an anderen Orten mit bedeutenden Beuys-Werken, wurde bislang an der originalen Raumsituation nichts verändert. Auch Bodenbelag und Wandbespannung wurden nur ausgebessert, wo dies ? wegen Auflagen der Feuerwehr oder weil die Wandbespannung brach ? unbedingt nötig erschien.
Den Kern des Block Beuys bildet eine 1967 vom Darmstädter
Sammler Karl Ströher angekaufte Werkgruppe, die ab 1968 erweitert und ergänzt wurde. 1970 hat Beuys die Aufstellung der Objekte und ihre Installation in Vitrinen selbst vorgenommen, Als die "Ströher?Sammlung" nach Frankfurt verkauft wurde, vor allem, weil Ströhers Auflage, einen Neubau für die Dauerleihgabe zu errichten, bis zu dessen Tod nicht erfüllt worden war, stand auch der Block Beuys in der Gefahr, verkauft zu werden; die Werkgruppe konnte nach Protesten 1989 aber mit Hilfe der Hessischen Kulturstiftung und der Kulturstiftung der Länder für das Museum erworben werden. Im deutschen Kulturbetrieb sorgte dieser Ankauf für großen medialen Wirbel, die aufgeregte Diskussion über den Sinn und die Wertschätzung des Beuysschen Werkes brach erneut aus,
"In den sieben Räumen befinden sich über 250 plastische Arbeiten von Beuys aus der Zeit von 1949 bis 1972", heißt es im Internet?Eintrag des Landesmuseums. Und weiter: "Darunter sind zahlreiche für das Kunstverständnis des Künstlers bedeutende Objekte und Installationen wie Grauballemann' (1952), Jungfrau'(1961), Szene aus der Hirschjagd' (1961), Stuhl mit Fett' (1963), Fond II' (1968) und Fond III' (1969).
Die berühmten Filzobjekte aus den Jahren 1964 bis 1967 dokumentieren die Bedeutung eines der Hauptmaterialien des Künstlers, 23 Vitrinen in drei Räumen bergen Objekte aus ehemaligen Aktionen und zahlreiche Multiples von Joseph Beuys. Zeichnungen und Wasserfarbenblätter ergänzen diese Sammlung. aka