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Kritische Anmerkungen zur EU- Verfassung


Literatur:

Aufruf ( in Zeitschrift für direkte demokratie Heft Nr 62 April 2004 )

von Verfassungsrechtslehrern für ein Referendum Ober die Europäische Verfassung in Deutschland

Europa steht nach der Erweiterung der Europäischen Union vor großen politischen Herausforderungen. Um diesen gerecht zu werden, hat der Europäische Konvent nach 16-monatiger Arbeit im Juli 2003 den Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union vorgelegt. Die Staatsund Regierungschefs werden diesen Verfassungsentwurf auf einer im Oktober beginnenden Regierungskonferenz beraten und voraussichtlich im Frühjahr 2004 verabschieden. Danach beginnt der Ratifikationsprozess in den Mitgliedstaaten nach jeweils geltendem Recht. Gewichtige Gründe sprechen dafür, die Verfassung der Europäischen Union in Deutschland nicht nur von Bundestag und Bundesrat absegnen zu lassen, sondern sie auch den Bürgerinnen und Bürgern in einem Volksentscheid zur Abstimmung vorzulegen.

Eine Europäische Verfassung ist sowohl von ihrer rechtlichen und politischen Bedeutung, als auch von ihrer Ausrichtung auf die Bürgerinnen und Bürger nicht mit den bisherigen Verträgen der EU/ EG gleich zu setzen. In einer Verfassung verständigen sich die Bürgerinnen und Bürger über Inhalt, Grenzen, Organisation, Ausgestaltung und Verteilung politischer Macht. Wenn die EU in Zukunft nicht mehr nur eine Union der Staaten, sondern auch eine Union der Bürger sein will, dann bedarf es der Legitimation des Verfassungstextes durch die Bürgerinnen und Bürger.

Es entspricht der europäischen Rechtstradition und dem Prinzip der Volkssouveränität, dass im Verfassungsgebungsprozess das Volk als Pouvoir Constituant auftritt. In der Praxis wird deshalb entweder die verfassungsgebende Versammlung direkt vom Volk gewählt, oder die Verfassung in einem Volksentscheid direkt vom Volk beschlossen. Diese Vorstellung liegt auch dem Grundgesetz zugrunde (Präambel sowie Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 146).

Da die Bürgerinnen und Bürger keinerlei Gelegenheit hatten, die Mitglieder des Konvents direkt zu bestimmen, scheint es geboten, die Verfassung der Europäischen Union dem Souverän zur Abstimmung vorzulegen. In vielen EU-Mitgliedstaaten wie etwa Frankreich, Spanien, Portugal, Irland, Luxemburg und Dänemark werden die Bürgerinnen und Bürger nach den bisherigen Ankündigungen der Regierungen in einem Referendum über die Verfassung abstimmen.

Das Grundgesetz legt in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 fest, dass die Staatsgewalt in „Wahlen und Abstimmungen" ausgeübt wird. Es bedarf mithin lediglich der Konkretisierung dieses grundlegenden Verfassungs - prinzips.

Die Unterzeichnenden fordern alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die Mitglieder des Bundesrates und die Bundesregierung auf, sich für ein Referendum über die europäische Verfassung in Deutschland einzusetzen und die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Aufruf von Verfassungsrechtslehrerinnen flir ein Referendum über die Europäische Verfassung

Unterzeichner:

Prof. Hans Herbert von Arnim, Deutsche Hochschule für

Verwaltungswissenschaften, Speyer

Prof. Manfred Baldus, Universität Erfurt

Prof. Hermann-Josef Blanke, Universität Erfurt

Prof. Albert Bleckmann, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Prof. Armin Bogdandy, Max-Planck-lnstitut für ausländisches

öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Prof. Harald Bogs, Georg-August-Universität Göttingen

Prof. Michael Bothe, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt

Prof. Erhard Denninger, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität

Frankfurt

Prof. Michael Fehling, Bucerius Law School, Hochschule

für Rechtswissenschaft Hamburg

Prof. Werner Frotscher, Philipps-Universität Marburg

Prof. Ulrich M. Gassner, Universität Augsburg

Prof. Volkmar Götz, Georg-August-Universität Göttingn

Prof. Rolf Gröschner, Friedrich-Schiller-UniversitätJena

Prof. Thomas Groß, Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Christof Gusy, Universität Bielefeld,

Prof. Martina Haedrich, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Prof. Erk Vollmar Heyen, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald

Prof. Peter M. Huber, Ludwig-Maximilians-Universitä't München

Prof. Jörn Ipsen, Universität Osnabrück

Prof. Matthias Jestaedt, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

Prof. Wolfgang Kahl, Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Karl Matthias Meessen, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Prof. Meyer, Delegierter des deutschen Bundestages im

europäischen Verfassungskonvent

Prof. Karl-Ulrich Meyn, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Prof. Ingolf Pernice, Humboldt-Universität Berlin

Prof. Ute Sacksofsky, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt

Prof. Hans-Peter Schneider, Universität Hannover

Prof. Ottfried Seewald, Universität Passau

Prof. Gerd Seidel, Humboldt-Universität Berlin

Prof. Christian Starck, Georg-August-Universität Göttingen

Prof. Michael Stolleis, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt

Prof. Uwe Volkmann, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Prof. Heinrich Wilms, Universität Konstanz

Prof. Heinrich AmadeusWolff, Ludwig-Maximilians-Universität München