Ein
Zwischenbericht:
ERSTE BEFUNDE AUS DER
„SZENE OHNE LOBBY“
Reaktionen auf den Fragebogen
a) „Endlich
fragt mal einer ... großes Lob für die Initiative - klasse“. (27)
b) „Ich
erwarte, dass die Kulturpolitiker dieser Stadt sich für diese Fragebogenaktion
interessieren, daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und die KünstlerInnen
ihrer Stadt mehr fördern“. (39)
c) „Ein
ungewöhnlicher Fragebogen, der besser ausgearbeitet werden sollte“. (31)
d) „Bisher
gab es kein rechtes Netzwerk zum Thema Kultur. Ich meine nicht Kulturarbeit,
denn solche Netzwerke gibt es: LAG (Anm.: d.i. die
Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren) zum Beispiel. Ich meine
Netzwerke der Kulturschaffenden. So wie es in NL und Belgien praktiziert wird.
Dort kann man eine starke Professionalisierung der Szene beobachten, das sollte
auch in MS Ziel sein. Genreübergreifend müsste das sein, Filmer und bildende
Künstler passen z.B. gut zusammen, ebenso Theaterleute und jene, Musiker und
Filmer, weiß der Geier ... Weniger Animositäten, weniger Geheimniskrämerei,
weniger Neid, mehr Teilhabe an Prozessen und Projekten, mehr Mut. Aber: Das
hier ist ein toller Ansatz.“ (18)
e) „Anmerkung:
Ein Hauptproblem für die Beschäftigung mit der freien Szene ist, dass viele
Datenerfassungen, Förderungen, Angebote etc. nicht realisieren, dass es den
„Musiker“ und den „Autor“ selten gibt. Viele führen ein Misch-Dasein, für das
Beratungsangebote kaum existieren. Viele der eigentlichen Problematiken sind in
so einem Fragebogen übrigens gar nicht zu nennen, da sie nicht
öffentlichkeitstauglich sind“ (12)
Damit hat der Verfasser dieser Zeilen auch schon eine
zentrale Problematik solcher Umfragen genannt und ein Erklärungsmuster
geliefert, warum einige der Befragten nicht geantwortet haben.
Bemerkungen zur Studie selbst
Beantwortungsqualität
Bei einigen Fragebögen fielen die Antworten kurz,
knapp und präzise manchmal auch nur sehr verhalten und spröde aus. (Beispiel: „Preise?,
hab ich gewonnen, möchte ich aber nicht nennen“). Bisweilen enthielten die
Fragebögen seitenlange handschriftliche Anhänge mit regelrechten Gegenentwürfen
zur derzeit in Deutschland beschrittenen Kulturförderung vor dem Hintergrund
der in Holland und Belgien gängigen Praxis. Zum Teil wurden ziemlich radikale
Forderungen erhoben (Beispiel: „Abschaffung der Stadttheaterensembles, die
in ganz Deutschland überall dasselbe Repertoire, denselben Spielplan spielen“)
(14) . Für die Vorstellung der Ergebnisse wurden die Antworten anonymisiert.
Repräsentativität
Im klassischen statistischen Sinne wird man die
Studie wohl nicht als repräsentativ bezeichnen können. Es kann aber
festgehalten werden: Aus (fast) jeder „Einzelszene“ von FKK haben
VertreterInnen geantwortet, zum Teil auch sehr bekannte und markante Vertreter.
Defizite gibt es sicherlich noch in den Bereichen Tanz, Film, Pantomime und
Clowns. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die in dieser Studie
herausgearbeiteten Trends und Tendenzen auch bei einer Erhöhung des Samples von
50 auf sagen wir mal 500 nur unwesentlich korrigiert werden müssten. (Konkret
gesagt: „Egal ob man nun drei oder dreißig bildende Künstler fragt, Probleme
mit günstigen Ateliers werden sie - cum grano salis - alle haben“).
Onlinebefragung
Von den Befragten haben knapp ein Drittel in
Papierform (Fax oder Brief) geantwortet, gut zwei Drittel per e-mail. Dies
belegt, dass der Weg der Online-Befragung ein gangbarer, kostengünstiger Weg ,
wenngleich auch kein perfekter Weg ist. Anzumerken bleibt, dass der
Rechercheaufwand für valide e.mail-Adressen ein recht hoher ist. Die
technischen Probleme bei dieser Umfrageform hielten sich in überschaubaren
Grenzen. Die Rücklaufquote war beim Postversand ähnlich hoch wie beim
e-mail-Versand. Ein weiterer Befund: Die Rücklaufqoute war - aus welchen
Gründen auch immer - bei den angeschriebenen Frauen deutlich größer als bei den
Männern .
Die Auswertung der Fragebögen erfolgte zunächst unter
dem Aspekt der Leistungsbilanz, in einem zweiten Schritt wurde eine
Bedarfsanalye erstellt.
Ergebnisse:
Beachtliche Bandbreite
Die Bandbreite der kulturellen „Hervorbringungen“ der
freien Kunst- und Kulturszene Münsters ist beachtlich. Sie reicht etwa im
Theaterbereich über das Kaspertheater, vom Kinder- und Jugendtheater bis hin
zum zeitgenössischen modernen Theater. Die KünstlerInnen sind in diesen
Bereichen als Darsteller und Regisseure, als Musiker oder Komponisten von
Bühnenmusiken tätig.
Im musikalischen Bereich sind so ziemlich alle Genres
vertreten von Rock, Pop, Jazz, Folklore, Weltmusik, experimenteller Musik bis
hin zur Interpretation zeitgenössischer moderner Musik. Dabei treten die
MusikerInnen nicht nur als Interpreten und Songwriter, Produzenten von CDs ,
sondern auch als Organisatoren von Musikveranstaltungen und -reihen auf. Sie
kümmern sich auch um die Vernetzung in ihren jeweiligen musikalischen
Bereichen. (Besonders gut ist die Vernetzung bislang im Bereich „Frauenmusik“
gelungen.)
Münsteraner Kunst- und KulturarbeiterInnen verfassen
aber auch Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Prosa, sie schreiben
Hörspielmanuskripte, Drehbücher für Fernsehen und Film, verfassen eigene
Theaterstücke.
Hinlänglich bekannt ist Münsters Ruf als
Kabaretthauptstadt Deutschlands, obwohl der Anfang der 90er Jahre beobachtbare
Trend von Neugründungen von Kabarettgruppen in den letzten Jahren sich nicht
entsprechend fortgesetzt hat.
Die bildenden Künstler Münsters schließlich beleben
das künstlerische Leben der Stadt durch zahlreiche Performances und Aktionen,
Installationen, Ausstellungen. Sie arbeiten aber auch dem Theater etwa als
Bühnenbildner zu.
FKK und die Ausbildung des
künstlerischen Nachwuchses
Die freie Kunst- und Kulturszene leistet einen
erheblichen Beitrag zur Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses in Münster.
Mehr als drei Fünftel der Befragten (32 von 50) gaben an, in diesem Bereich
tätig zu sein. Dies geschieht in Schulen, Musikschulen, Hochschulen,
Kulturzentren, Schreibwerkstätten, Weiterbildungseinrichtungen, Workshops und
durch die Vergabe von Praktikumplätzen. (Es sei hier mal offen gelassen, ob
dieses beachtliche pädagogische Engagement „freiwillig“ oder aus pekuniärer Not
erfolgt, der Bearb.)
Gleichwohl wird hier eine außergewöhnliche
Ausbildungsleistung erbracht, die nicht unterschätzt werden sollte.
FKK Münster: Allemal preiswürdig
Ein weiteres markantes Ergebnis der Studie, welches
auch in dieser Dichte für den Bearbeiter etwas überraschend kam: Münster FKK
scheint bei unabhängigen Fachgremien und beim Publikum (zumindest dort, wo es
Publikumspreise zu vergeben hat) ganz hervorragend anzukommen. Sicherlich ein
unbestrittenes Qualitätsmerkmal:
Gut zwei Fünftel / also knapp die Hälfte aller
Befragten konnten bei dieser Frage mindestens eine Auszeichnung nennen. Dabei
haben bekannte regelmäßig preisgekrönte Gruppen wie „Die Buschtrommel“ oder das
regelmäßig prämierte „Cinema“ gar nicht mal an der Studie teilgenommen.
FKK als Dienstleister für die Stadt
FKK Münster ist fraglos ein großer kultureller
Dienstleister für die Stadt. Von 50 gaben 29 der befragten Gruppen und
EinzelkünstlerInnen an, schon mal im Rahmen städtischer Veranstaltungen tätig
geworden zu sein (Stadtfest, heute: Eurocityfest, Ab in die Mitte,
Stadtjubiläum, Westfälischer Frieden u.v.a. mehr). Dabei reichten die
Betätigung von einmaligen Engagements, sporadischen bis regelmäßigen
Engagements bis hin zu Nennungen wie: 10 Mal, x-Mal, 20 Mal und sogar 25 Mal.
Es ist für die Stadt Münster ein sicherlich nicht zu unterschätzender
positiver, identitätsstiftender Faktor, eine breite freie kulturelle
Dienstleisterszene vor Ort zu haben, da sie so bei städtischen
Großveranstaltungen nicht auf kulturelle Importe aus dem Ruhrgebiet oder
Osnabrück angewiesen ist. Es sei hier an dieser Stelle nur an die Diskussion um
das von der Agentur „Orion“ organisierte „Stadtfest-von-der-Stange“ erinnert.
Geschäft auf Gegenseitigkeit:
Förderung durch die Stadt
Um ein funktionierendes Netz von freien kulturellen
Dienstleistern vor Ort sicher zu stellen, fördert die Stadt Münster durch das
Kulturamt und andere Ämter regelmäßig, mehrfach oder einmalig die freie Kunst-
und Kulturszene. Bei unserer Befragung gaben immerhin 17 von 50 Befragten, also
ein gutes Drittel an, einmal, mehrfach oder regelmäßig vom Kulturamt (oder
anderen städtischen Ämtern) gefördert zu werden. Insgesamt 37 der Befragten
gaben an, überhaupt Mäzene, Förderer, Sponsoren für ihre Kunst zu haben. Was im
Umkehrschluss ergibt, dass gerade unter dem Aspekt der Förderung die von uns
untersuchte Gruppe komplett auseinander fällt. Denn 22, also knapp die Hälfte
der Befragten gab an, noch niemals in den Genuss einer Förderung oder eines
Stipendiums gekommen zu sein und auch sonst keine Förderer, Sponsoren, Mäzene
im Rücken zu haben. Dies lässt den Schluss nach einer „Förderungsspirale“ zu,
d.h. wer schon mal ein Stipendium erhalten hat, hat gute Chancen, eine weitere
Förderung zu erhalten und umgekehrt.
FKK als imagefördernde Botschafter
der Stadt
Die Stadt Münster hat bekanntlich ein Image- und
Bekanntheitsproblem, was anfängt, sobald man sich ca. 40 km vom Dom entfernt.
Es kann durch einen (noch) drittklassigen Fußballverein und einen kaum im
Fernsehen vertretenen erstklassigen Damen-Volleyballverein allein sicher nicht
behoben werden. Die aktuellen Marketingbemühungen im münsterschen Rathaus
sprechen für sich. Wenn überhaupt, dann profitiert die Stadt noch von den
Reise- und Tourneetätigkeiten der freien kulturellen Dienstleister. Denn die
Freie Kunst- und Kulturszene Münster findet nicht nur in Münster, sondern
bundesweit, europaweit und sogar weltweit statt. Als hervorragendes Beispiel
mag hier das „Theater Titanick“ genannt werden. Immerhin die Hälfte (25) der
Befragten gab an bundesweit tätig zu sein, 3 - 5 gaben an weltweit tätig zu
sein, immerhin noch 7 sind europaweit tätig.
Bedarfsanalyse
Räumlichkeiten
Das Thema „Räumlichkeiten“ (Fragen 26/27) ist ein
Thema, was in Münster viele Künstler bewegt, aber nicht alle. Immerhin knapp
die Hälfte der Befragten gab an, dass ihnen genügende Räumlichkeiten zur
Verfügung stehen, sowohl für die Ausübung der künstlerischen Tätigkeit als auch
für die Präsentation. Allerdings wurde diese Frage auch mehrfach mit „ja“
beantwortet mit dem Zusatz „wenn man das nötige Geld hat“. Ein
Schriftsteller hat es naturgemäß leichter als etwa der Punkmusiker oder eine
Künstlerin, die großflächige Malereien oder Skulpturen anfertigt, sich
angemessene Räumlichkeiten für die Ausübung seiner künstlerischen Tätigkeit zu
organisieren. Aus der Rockfraktion wurde der Wunsch laut nach „noch mehr
Kneipen und Clubs, wo man für vernünftige Gagen spielen kann“, nach „sauberen
Proben- und Übungsräumen mit Luft und Licht“. Die eher konzertant
auftretenden MusikerInnen wünschten sich z.B. einen „kammermusikalischen Saal,
der keinen „pädagogischen Touch“ hat“ oder „eine Konzerthalle mittlerer Größe
mit ca. 200 – 400 Plätze“. Aus Reihen der eventorientiert arbeitenden Künstler
wurde auch der unkonventionelle Wunsch nach „einer kostenlosen
Pauschalenversicherung und einer Mietkloversorgung von öffentlicher Hand“
vermerkt, um aus „Münster das Paradies für legale Events mit illegalem
Charme (zu) machen“. Neben dem bekannten Wunsch nach preiswerten Ateliers
wurden aus Reihen der bildenden KünstlerInnen auch noch ganz andere Forderungen
artikuliert, etwa ganz konkret nach einem niedrigschwelligen Kunstraum von 14
qm vor dem Hauptbahnhof, beheizt, mit „Glasvitrine“ und nach „vernünftigen
Ausstellungsräumen, die man halbwegs für eine 3D- Ausstellung nutzen kann“ oder
der Wunsch nach der Vermittlung von leeren Ladenlokalen (Beispiel „Ü“), um
diese für Ausstellungen zu nutzen.
Die KünstlerInnen und die
Kulturpolitik
Die Frage „Welche Erwartungen hast Du/ habt Ihr an
die städtische Kulturpolitik“ blieb relativ häufig unbeantwortet oder wurde
mit einem? versehen. Dies mag damit zu tun haben, dass vielen KünstlerInnen
ganz einfach das Bewusstsein und die Phantasie dafür fehlen, dass es in dieser
Stadt PolitikerInnen gibt, die sich für Ihre Interessen und Bedürfnisse
interessieren könnten.
(Ob dies der Realität entspricht, mag hier mal
dahingestellt sein). Ansprechpartner ist für viele wohl eher die
Kulturverwaltung, sprich das Kulturamt, dort können Anträge abgegeben werden,
dort gibt es möglicherweise Geld und Hilfe. Für diese Einschätzung sprechen
auch viele Aussagen der Künstler, die beklagen, dass sie sich überhaupt nicht
recht wahrgenommen fühlen durch die Kulturpolitik: Exemplarisch seien hier
diese Aussagen zitiert:
„Ich erwarte Kulturpolitiker/Kuratoriumsmitglieder,
die sich die von ihnen geförderten Produktionen zumindest alle anschauen
sollten“ (51) oder „ich erwarte,
dass die Kulturpolitiker überhaupt bereit, sind sich kundig zu machen, über das
was in Münsters („freier“) Szene passiert“.(26) Abschließend sei diese
Stimme zitiert, die erwartet: „Ein bisschen mehr Interesse und Begeisterung.
Ich sehe sie nie auf Veranstaltungen im sog. Off-Bereich (Theater-Pädagogisches
Zentrum , Pumpenhaus, sonst wo), im prominenten Ambiente gerne (Stadttheater
usw., da sind die Karten ja auch umsonst, die Armen). Einige Namen sind ihnen
bekannt, der Rest wird stumpf ignoriert. Die Politik selber profiliert sich
dann lieber an Mammutkonzepten (Skulpturenausstellung - die ich sehr klasse
finde, dass wir uns da nicht missverstehen - Musikhalle, Ankauf öffentlicher
Kunst im Raum (immer nur Skulpturen!). Ich glaube, Vielfalt ist Trumpf.“ (18)
Ein weiterer vielfach geäußerter Wunsch war der nach
einer stärkeren Verflechtung der verschiedenen Szenen, nach mehr Kommunikation
und einer besseren Vernetzung der örtlichen Kulturszene. (Es sei hier mal
dahingestellt, ob für diese Forderung die Kulturpolitik der richtige
Ansprechpartner ist) Exemplarisch seien hier diese Antworten wiedergegeben : „Ich
erwarte mehr die Verflechtung der sogenannten Hochkultur mit der freien Szene
bei Projekten, Events und Veranstaltungen der Stadt voran(zu)treiben, damit ein
Austausch stattfinden kann“ (22) Ein anderer erwartete, dass ein „Netzwerk
von Künstlern/ Institutionen“ gebildet wird „eine Mittlerstelle Künstler/
Projektförderung“ (15)
Mehrfach wurde auch der Wunsch nach städtischen
Hilfen für die Durchführung von Auslandsaufenthalten artikuliert, ein Punkt,
der unter dem Gesichtspunkt „Stadtmarketing durch Kulturexport“ sicher nicht zu
unterschätzen ist, wie dies zum Beispiel in dieser Antwort anklingt: „Man
könnte im Ausland nachgefragte Künstler aus Münster auch als eine öffentlich
wirksame Werbung für Münster als Standort sehen und z.b. durch Reise oder
Tagegeldunterstützung Künstleraustausch von Münster aus fördern. (Hierzu können
eventuell die Handlungsreisenden 1998 als eine Art Pilotprojekt betrachtet
werden.) Für reisende Politiker und offizielle Repräsentanten der Stadt Münster
gibt es schon länger einen derartigen Etat. Allerdings käme es – angesichts des
relativ geringen finanziellen Aufwand - auf eine möglichst pragmatische Verwaltungslösung
an.“ (26)
Natürlich blieb auch die derzeitige Mittelvergabe
nicht frei von Kritik: So wird auch die „Reform der Kulturförderkungelei und
Mittelvergabe hin zu professionellem Kulturmanagement und die transparente
Informationsgabe“ (27) angemahnt und „transparentere Entscheidungen, wer
warum wie viel erhält“. (18).
Mehrfach wurde auch die stärkere Förderung von
kulturschaffenden Frauen und speziell von kulturschaffenden Migrantinnen
gefordert. (36/13)
Schließlich wurde auch ein Mitwirkungsrecht der
KünstlerInnen bei kulturellen Entscheidungen reklamiert. (32)
Angesichts einer zunehmenden Neuorientierung
städtischer Kulturpolitik ist auch diese (sicherlich wichtige) Erwartung an die
Kulturpolitik wichtig, nämlich „daß entgegen aller wachsenden Event- und
Marketingorientierung der Blick auf die INHALTLICHE QUALITÄT von Kunst und
Kulturproduktion - das reicht vom Musikunterricht (der an vielen Schule im
Argen liegt) bis hin Wahrnehmung örtlicher künstlerischer Qualitäten – nicht
verloren geht.“ 26)
(Es wurde bei dieser Untersuchung zunächst darauf
verzichtet, über den „gesellschaftlichen Wert“ der freien Kulturszene zu
diskutieren, eine Diskussion die, wenn sie auch schwierig ist, aber unbedingt
geführt werden müsste. der Verf.)
Es gibt aber auch Lob aus der Szene, für das bislang
von der Stadt geleistete:
„Ich finde Festivals wie das
niederländisch-flämische, das dieses Jahr stattfand, als eine große
Bereicherung, für mich als Künstler wie auch für die Stadt. Mehr!“ Natürlich ist dieses Lob mit Kritik verbunden: „Münster
ist zu sauber, traut sich zu wenig zu (keine Musikhalle, lieber
Skaterweltmeisterschaften“), (14) Diese Kritik am Standort Münster lässt
sich beliebig fortsetzen: Münster sollte mehr „Mut für ungewöhnliche Projekte“
haben, wird da gefordert oder endlich Münster aus dem „geleckten Mittelmaß“
herauszuholen, verbunden mit der Forderung, „Kultur anzuerkennen und zu
fördern, die abseits vom bildungsbürgerlich anerkannten Mainstream stattfindet.
Orte, die nicht unbedingt den Ansprüchen an Mainstream- Musentempeln
entsprechen zur Verfügung zu stellen bzw. nicht systematisch zu vernichten“.
(16) Eine Anspielung wohl auf den – inzwischen geretteten – Hawerkamp.
Zusammengefasst erwarten die KünstlerInnen neben mehr
Interesse und Anerkennung seitens der Kulturpolitik eine Verbesserung der
Kommunikation, mehr Austausch und die Vernetzung der Kulturszene durch die
Kulturpolitik, Unterstützung bei Auslandsprojekten, spezielle Förderprogramme
für Frauen und MigrantInnen und transparente Strukturen und (eventuell sogar
eine Mitsprache) bei der Vergabe städtischer Mittel.
Welche Hilfe brauchen KünstlerInnen?
Was sollte für die freie Szene gemacht werden?
Es wird natürlich keine besonders große Überraschung
sein, dass auf unsere Frage 31) „Mal vorausgesetzt, Du willst / Ihr wollt
die Ergebnisse Eurer künstlerischen Tätigkeit optimieren. Was müsste gemacht
werden und welche Hilfe wäre dabei am notwendigsten?“ eine Antwort am
häufigsten genannt wird: „Geld. Und noch mal. Und noch mal“ (38) Viele
Künstler wünschen sich z.B. „eine Regelförderung oder/und Projektförderung,
um in Ruhe und ohne kommerziellen Druck arbeiten zu können“ (21) Oder: „Es
müsste ähnlich wie in den Niederlanden eine grundsätzliche finanzielle
regelmäßige Unterstützung geben (vgl. mit Sozialhilfe), von der z.B. ein
Atelier und Grundbedürfnisse abgedeckt werden könnten, so dass der Broterwerb
durch Nebentätigkeiten reduziert werden könnte.“ Diese Antwort ist auch ein
Fingerzeig darauf, dass es nur einigen Künstlern gelingt, von Ihrer Kunst
allein zu leben (das waren bei unserer Untersuchung immerhin 15), sondern
regelmäßig auf „Brotberufe“ angewiesen sind. Immerhin 22 sich selbst als
„professionell“ einstufende KünstlerInnen gaben an, regelmäßig oder
gelegentlich auf „Brotberufe“ angewiesen zu sein.
Gleich nach dem Top-Thema „Geld“ kommt aber ein
anderer Punkt auf die Tagesordnung, bei dem viele KünstlerInnen offensichtlich
Probleme haben: Hilfe bei der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Ganz konkret
wurde zum Beispiel in Kooperation mit der WWU die Schaffung einer Stelle für
Öffentlichkeitsarbeit für die Atelierhäuser Schulstrasse und Fresnostrasse
gefordert.
Natürlich haben Künstlerinnen auch die gleichen
Sorgen wie andere berufstätige Frauen. So wäre für manche Künstlerin schon „ein
Platz in einer Kindertagesstätte für den anderthalbjährigen Sohn“ eine
große Erleichterung. Ein großer Bedarf wird unisono auch bei professionellen
Vermarktern der künstlerischen Produkte gesehen, also einem „professionellem
Booker“, ein professionelles Management oder eine gute und faire Agentur. Nicht
selten müssen KünstlerInnen als eigene Vermarkter auftreten.
Als durchaus vernünftige Anregung ist wohl der Wunsch
zu sehen nach „einem münsteraner Wettbewerb mit den verschiedenen Sparten,
mit „echten“ Preisen, keine Symbole! (z.B. soundsoviel Auftritte finanzieren,
eine Ausstellung an prominenter Stelle etc.) Bester des Jahres in ...“ und
der Wunsch nach einem guten umfassenden „Internetportal für Konsumenten,
ständig aktualisiert, mit Kunst im Netz, Hör- und Sehbeispielen, so richtig
fett.“ (18)
Manchmal richten sich die Bedürfnisse der
KünstlerInnen aber auch eher an die Rezipienten. So wurde zum Beispiel häufig
auch eine größere „Offenheit des Publikums“ gefordert.
Selbsteinschätzung der
künstlerischen Entwicklung und Blick in die Zukunft
Trotz aller beklagter Mängel und Sorgen kam es bei
der Frage nach einer selbstkritischen Einschätzung der Entwicklung der eigenen
künstlerischen Arbeit zu einem eindeutig positiven Resümee. 90 Prozent der
Befragten gaben an, ihre künstlerische Tätigkeit habe sich in der Vergangenheit
positiv entwickelt. Bei der Frage, wie sie denn in die Zukunft blicken
(positiv/ skeptisch/ weiß nicht u.a.) fielen die Antworten nicht mehr ganz so
einhellig aus. Aber immerhin 50 Prozent der Befragten gaben an, sie blickten
optimistisch in die Zukunft. Damit ist also die Stimmung in Münsters freier
Kulturszene immerhin noch deutlich besser, als die in der freien Wirtschaft in
Deutschland. Allerdings flossen auch bei den „positiv“ Antwortern skeptische
Untertöne ein wie diese: „Ich bin positiv eingestellt, aber auch ängstlich,
weil ich viel Arbeit habe, und ich nicht weiß, ob ich das durchhalten kann“.
Wobei diese Aussage als Beleg dafür dienen mag, dass auch in freien
künstlerischen Berufen hart gearbeitet wird.
Der Optimismus behält allerdings nur knapp gegenüber
der Skepsis Oberhand: Fast 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie doch
eher „skeptisch“ in die Zukunft schauen, was angesichts der aktuellen
Diskussion um rigorose Einsparungen in den Kulturetats der Stadt und des Landes
sicherlich niemanden verwundern mag.
Fazit: Ohne die freie Kunst- und Kulturszene, ohne das
Engagement vieler einzelner Künstlerinnen und Künstler wäre Münster „eine
große Wüste... aber sie lebt“ (5) - noch.
Frank Biermann, Münster, 25/2/2002