Die FKK-Künstler-Umfrage 2001/2002

Ein Zwischenbericht:

 

„Endlich fragt mal einer!“

 

ERSTE BEFUNDE AUS DER

„SZENE OHNE LOBBY“

 

Reaktionen auf den Fragebogen

 

a) „Endlich fragt mal einer ... großes Lob für die Initiative - klasse“. (27)

 

b) „Ich erwarte, dass die Kulturpolitiker dieser Stadt sich für diese Fragebogenaktion interessieren, daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und die KünstlerInnen ihrer Stadt mehr fördern“. (39)

 

c) „Ein ungewöhnlicher Fragebogen, der besser ausgearbeitet werden sollte“. (31)

 

d) „Bisher gab es kein rechtes Netzwerk zum Thema Kultur. Ich meine nicht Kulturarbeit,

denn solche Netzwerke gibt es: LAG (Anm.: d.i. die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren) zum Beispiel. Ich meine Netzwerke der Kulturschaffenden. So wie es in NL und Belgien praktiziert wird. Dort kann man eine starke Professionalisierung der Szene beobachten, das sollte auch in MS Ziel sein. Genreübergreifend müsste das sein, Filmer und bildende Künstler passen z.B. gut zusammen, ebenso Theaterleute und jene, Musiker und Filmer, weiß der Geier ... Weniger Animositäten, weniger Geheimniskrämerei, weniger Neid, mehr Teilhabe an Prozessen und Projekten, mehr Mut. Aber: Das hier ist ein toller Ansatz.“ (18)

 

e) „Anmerkung: Ein Hauptproblem für die Beschäftigung mit der freien Szene ist, dass viele Datenerfassungen, Förderungen, Angebote etc. nicht realisieren, dass es den „Musiker“ und den „Autor“ selten gibt. Viele führen ein Misch-Dasein, für das Beratungsangebote kaum existieren. Viele der eigentlichen Problematiken sind in so einem Fragebogen übrigens gar nicht zu nennen, da sie nicht öffentlichkeitstauglich sind“ (12)

 

Damit hat der Verfasser dieser Zeilen auch schon eine zentrale Problematik solcher Umfragen genannt und ein Erklärungsmuster geliefert, warum einige der Befragten nicht geantwortet haben.

 

Bemerkungen zur Studie selbst

 

Beantwortungsqualität

 

Bei einigen Fragebögen fielen die Antworten kurz, knapp und präzise manchmal auch nur sehr verhalten und spröde aus. (Beispiel: „Preise?, hab ich gewonnen, möchte ich aber nicht nennen“). Bisweilen enthielten die Fragebögen seitenlange handschriftliche Anhänge mit regelrechten Gegenentwürfen zur derzeit in Deutschland beschrittenen Kulturförderung vor dem Hintergrund der in Holland und Belgien gängigen Praxis. Zum Teil wurden ziemlich radikale Forderungen erhoben (Beispiel: „Abschaffung der Stadttheaterensembles, die in ganz Deutschland überall dasselbe Repertoire, denselben Spielplan spielen“) (14) . Für die Vorstellung der Ergebnisse wurden die Antworten anonymisiert.

 

Repräsentativität

 

Im klassischen statistischen Sinne wird man die Studie wohl nicht als repräsentativ bezeichnen können. Es kann aber festgehalten werden: Aus (fast) jeder „Einzelszene“ von FKK haben VertreterInnen geantwortet, zum Teil auch sehr bekannte und markante Vertreter. Defizite gibt es sicherlich noch in den Bereichen Tanz, Film, Pantomime und Clowns. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die in dieser Studie herausgearbeiteten Trends und Tendenzen auch bei einer Erhöhung des Samples von 50 auf sagen wir mal 500 nur unwesentlich korrigiert werden müssten. (Konkret gesagt: „Egal ob man nun drei oder dreißig bildende Künstler fragt, Probleme mit günstigen Ateliers werden sie - cum grano salis - alle haben“).

 

Onlinebefragung

 

Von den Befragten haben knapp ein Drittel in Papierform (Fax oder Brief) geantwortet, gut zwei Drittel per e-mail. Dies belegt, dass der Weg der Online-Befragung ein gangbarer, kostengünstiger Weg , wenngleich auch kein perfekter Weg ist. Anzumerken bleibt, dass der Rechercheaufwand für valide e.mail-Adressen ein recht hoher ist. Die technischen Probleme bei dieser Umfrageform hielten sich in überschaubaren Grenzen. Die Rücklaufquote war beim Postversand ähnlich hoch wie beim e-mail-Versand. Ein weiterer Befund: Die Rücklaufqoute war - aus welchen Gründen auch immer - bei den angeschriebenen Frauen deutlich größer als bei den Männern .

Die Auswertung der Fragebögen erfolgte zunächst unter dem Aspekt der Leistungsbilanz, in einem zweiten Schritt wurde eine Bedarfsanalye erstellt.

 

 

Ergebnisse:

 

Beachtliche Bandbreite

 

Die Bandbreite der kulturellen „Hervorbringungen“ der freien Kunst- und Kulturszene Münsters ist beachtlich. Sie reicht etwa im Theaterbereich über das Kaspertheater, vom Kinder- und Jugendtheater bis hin zum zeitgenössischen modernen Theater. Die KünstlerInnen sind in diesen Bereichen als Darsteller und Regisseure, als Musiker oder Komponisten von Bühnenmusiken tätig.

Im musikalischen Bereich sind so ziemlich alle Genres vertreten von Rock, Pop, Jazz, Folklore, Weltmusik, experimenteller Musik bis hin zur Interpretation zeitgenössischer moderner Musik. Dabei treten die MusikerInnen nicht nur als Interpreten und Songwriter, Produzenten von CDs , sondern auch als Organisatoren von Musikveranstaltungen und -reihen auf. Sie kümmern sich auch um die Vernetzung in ihren jeweiligen musikalischen Bereichen. (Besonders gut ist die Vernetzung bislang im Bereich „Frauenmusik“ gelungen.)

Münsteraner Kunst- und KulturarbeiterInnen verfassen aber auch Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Prosa, sie schreiben Hörspielmanuskripte, Drehbücher für Fernsehen und Film, verfassen eigene Theaterstücke.

Hinlänglich bekannt ist Münsters Ruf als Kabaretthauptstadt Deutschlands, obwohl der Anfang der 90er Jahre beobachtbare Trend von Neugründungen von Kabarettgruppen in den letzten Jahren sich nicht entsprechend fortgesetzt hat.

Die bildenden Künstler Münsters schließlich beleben das künstlerische Leben der Stadt durch zahlreiche Performances und Aktionen, Installationen, Ausstellungen. Sie arbeiten aber auch dem Theater etwa als Bühnenbildner zu.

 

FKK und die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses

 

Die freie Kunst- und Kulturszene leistet einen erheblichen Beitrag zur Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses in Münster. Mehr als drei Fünftel der Befragten (32 von 50) gaben an, in diesem Bereich tätig zu sein. Dies geschieht in Schulen, Musikschulen, Hochschulen, Kulturzentren, Schreibwerkstätten, Weiterbildungseinrichtungen, Workshops und durch die Vergabe von Praktikumplätzen. (Es sei hier mal offen gelassen, ob dieses beachtliche pädagogische Engagement „freiwillig“ oder aus pekuniärer Not erfolgt, der Bearb.)

Gleichwohl wird hier eine außergewöhnliche Ausbildungsleistung erbracht, die nicht unterschätzt werden sollte.

 

FKK Münster: Allemal preiswürdig

 

Ein weiteres markantes Ergebnis der Studie, welches auch in dieser Dichte für den Bearbeiter etwas überraschend kam: Münster FKK scheint bei unabhängigen Fachgremien und beim Publikum (zumindest dort, wo es Publikumspreise zu vergeben hat) ganz hervorragend anzukommen. Sicherlich ein unbestrittenes Qualitätsmerkmal:

Gut zwei Fünftel / also knapp die Hälfte aller Befragten konnten bei dieser Frage mindestens eine Auszeichnung nennen. Dabei haben bekannte regelmäßig preisgekrönte Gruppen wie „Die Buschtrommel“ oder das regelmäßig prämierte „Cinema“ gar nicht mal an der Studie teilgenommen.

 

FKK als Dienstleister für die Stadt

 

FKK Münster ist fraglos ein großer kultureller Dienstleister für die Stadt. Von 50 gaben 29 der befragten Gruppen und EinzelkünstlerInnen an, schon mal im Rahmen städtischer Veranstaltungen tätig geworden zu sein (Stadtfest, heute: Eurocityfest, Ab in die Mitte, Stadtjubiläum, Westfälischer Frieden u.v.a. mehr). Dabei reichten die Betätigung von einmaligen Engagements, sporadischen bis regelmäßigen Engagements bis hin zu Nennungen wie: 10 Mal, x-Mal, 20 Mal und sogar 25 Mal. Es ist für die Stadt Münster ein sicherlich nicht zu unterschätzender positiver, identitätsstiftender Faktor, eine breite freie kulturelle Dienstleisterszene vor Ort zu haben, da sie so bei städtischen Großveranstaltungen nicht auf kulturelle Importe aus dem Ruhrgebiet oder Osnabrück angewiesen ist. Es sei hier an dieser Stelle nur an die Diskussion um das von der Agentur „Orion“ organisierte „Stadtfest-von-der-Stange“ erinnert.

 

Geschäft auf Gegenseitigkeit: Förderung durch die Stadt

 

Um ein funktionierendes Netz von freien kulturellen Dienstleistern vor Ort sicher zu stellen, fördert die Stadt Münster durch das Kulturamt und andere Ämter regelmäßig, mehrfach oder einmalig die freie Kunst- und Kulturszene. Bei unserer Befragung gaben immerhin 17 von 50 Befragten, also ein gutes Drittel an, einmal, mehrfach oder regelmäßig vom Kulturamt (oder anderen städtischen Ämtern) gefördert zu werden. Insgesamt 37 der Befragten gaben an, überhaupt Mäzene, Förderer, Sponsoren für ihre Kunst zu haben. Was im Umkehrschluss ergibt, dass gerade unter dem Aspekt der Förderung die von uns untersuchte Gruppe komplett auseinander fällt. Denn 22, also knapp die Hälfte der Befragten gab an, noch niemals in den Genuss einer Förderung oder eines Stipendiums gekommen zu sein und auch sonst keine Förderer, Sponsoren, Mäzene im Rücken zu haben. Dies lässt den Schluss nach einer „Förderungsspirale“ zu, d.h. wer schon mal ein Stipendium erhalten hat, hat gute Chancen, eine weitere Förderung zu erhalten und umgekehrt.

 

FKK als imagefördernde Botschafter der Stadt

 

Die Stadt Münster hat bekanntlich ein Image- und Bekanntheitsproblem, was anfängt, sobald man sich ca. 40 km vom Dom entfernt. Es kann durch einen (noch) drittklassigen Fußballverein und einen kaum im Fernsehen vertretenen erstklassigen Damen-Volleyballverein allein sicher nicht behoben werden. Die aktuellen Marketingbemühungen im münsterschen Rathaus sprechen für sich. Wenn überhaupt, dann profitiert die Stadt noch von den Reise- und Tourneetätigkeiten der freien kulturellen Dienstleister. Denn die Freie Kunst- und Kulturszene Münster findet nicht nur in Münster, sondern bundesweit, europaweit und sogar weltweit statt. Als hervorragendes Beispiel mag hier das „Theater Titanick“ genannt werden. Immerhin die Hälfte (25) der Befragten gab an bundesweit tätig zu sein, 3 - 5 gaben an weltweit tätig zu sein, immerhin noch 7 sind europaweit tätig.

 

 

Bedarfsanalyse

 

Räumlichkeiten

 

Das Thema „Räumlichkeiten“ (Fragen 26/27) ist ein Thema, was in Münster viele Künstler bewegt, aber nicht alle. Immerhin knapp die Hälfte der Befragten gab an, dass ihnen genügende Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, sowohl für die Ausübung der künstlerischen Tätigkeit als auch für die Präsentation. Allerdings wurde diese Frage auch mehrfach mit „ja“ beantwortet mit dem Zusatz „wenn man das nötige Geld hat“. Ein Schriftsteller hat es naturgemäß leichter als etwa der Punkmusiker oder eine Künstlerin, die großflächige Malereien oder Skulpturen anfertigt, sich angemessene Räumlichkeiten für die Ausübung seiner künstlerischen Tätigkeit zu organisieren. Aus der Rockfraktion wurde der Wunsch laut nach „noch mehr Kneipen und Clubs, wo man für vernünftige Gagen spielen kann“, nach „sauberen Proben- und Übungsräumen mit Luft und Licht“. Die eher konzertant auftretenden MusikerInnen wünschten sich z.B. einen „kammermusikalischen Saal, der keinen „pädagogischen Touch“ hat“ oder „eine Konzerthalle mittlerer Größe mit ca. 200 – 400 Plätze“. Aus Reihen der eventorientiert arbeitenden Künstler wurde auch der unkonventionelle Wunsch nach „einer kostenlosen Pauschalenversicherung und einer Mietkloversorgung von öffentlicher Hand“ vermerkt, um aus „Münster das Paradies für legale Events mit illegalem Charme (zu) machen“. Neben dem bekannten Wunsch nach preiswerten Ateliers wurden aus Reihen der bildenden KünstlerInnen auch noch ganz andere Forderungen artikuliert, etwa ganz konkret nach einem niedrigschwelligen Kunstraum von 14 qm vor dem Hauptbahnhof, beheizt, mit „Glasvitrine“ und nach „vernünftigen Ausstellungsräumen, die man halbwegs für eine 3D- Ausstellung nutzen kann“ oder der Wunsch nach der Vermittlung von leeren Ladenlokalen (Beispiel „Ü“), um diese für Ausstellungen zu nutzen.

 

Die KünstlerInnen und die Kulturpolitik

 

Die Frage „Welche Erwartungen hast Du/ habt Ihr an die städtische Kulturpolitik“ blieb relativ häufig unbeantwortet oder wurde mit einem? versehen. Dies mag damit zu tun haben, dass vielen KünstlerInnen ganz einfach das Bewusstsein und die Phantasie dafür fehlen, dass es in dieser Stadt PolitikerInnen gibt, die sich für Ihre Interessen und Bedürfnisse interessieren könnten.

 

(Ob dies der Realität entspricht, mag hier mal dahingestellt sein). Ansprechpartner ist für viele wohl eher die Kulturverwaltung, sprich das Kulturamt, dort können Anträge abgegeben werden, dort gibt es möglicherweise Geld und Hilfe. Für diese Einschätzung sprechen auch viele Aussagen der Künstler, die beklagen, dass sie sich überhaupt nicht recht wahrgenommen fühlen durch die Kulturpolitik: Exemplarisch seien hier diese Aussagen zitiert:

„Ich erwarte Kulturpolitiker/Kuratoriumsmitglieder, die sich die von ihnen geförderten Produktionen zumindest alle anschauen sollten“ (51) oder „ich erwarte, dass die Kulturpolitiker überhaupt bereit, sind sich kundig zu machen, über das was in Münsters („freier“) Szene passiert“.(26) Abschließend sei diese Stimme zitiert, die erwartet: „Ein bisschen mehr Interesse und Begeisterung. Ich sehe sie nie auf Veranstaltungen im sog. Off-Bereich (Theater-Pädagogisches Zentrum , Pumpenhaus, sonst wo), im prominenten Ambiente gerne (Stadttheater usw., da sind die Karten ja auch umsonst, die Armen). Einige Namen sind ihnen bekannt, der Rest wird stumpf ignoriert. Die Politik selber profiliert sich dann lieber an Mammutkonzepten (Skulpturenausstellung - die ich sehr klasse finde, dass wir uns da nicht missverstehen - Musikhalle, Ankauf öffentlicher Kunst im Raum (immer nur Skulpturen!). Ich glaube, Vielfalt ist Trumpf.“ (18)

 

Ein weiterer vielfach geäußerter Wunsch war der nach einer stärkeren Verflechtung der verschiedenen Szenen, nach mehr Kommunikation und einer besseren Vernetzung der örtlichen Kulturszene. (Es sei hier mal dahingestellt, ob für diese Forderung die Kulturpolitik der richtige Ansprechpartner ist) Exemplarisch seien hier diese Antworten wiedergegeben : „Ich erwarte mehr die Verflechtung der sogenannten Hochkultur mit der freien Szene bei Projekten, Events und Veranstaltungen der Stadt voran(zu)treiben, damit ein Austausch stattfinden kann“ (22) Ein anderer erwartete, dass ein „Netzwerk von Künstlern/ Institutionen“ gebildet wird „eine Mittlerstelle Künstler/ Projektförderung“ (15)

 

Mehrfach wurde auch der Wunsch nach städtischen Hilfen für die Durchführung von Auslandsaufenthalten artikuliert, ein Punkt, der unter dem Gesichtspunkt „Stadtmarketing durch Kulturexport“ sicher nicht zu unterschätzen ist, wie dies zum Beispiel in dieser Antwort anklingt: „Man könnte im Ausland nachgefragte Künstler aus Münster auch als eine öffentlich wirksame Werbung für Münster als Standort sehen und z.b. durch Reise oder Tagegeldunterstützung Künstleraustausch von Münster aus fördern. (Hierzu können eventuell die Handlungsreisenden 1998 als eine Art Pilotprojekt betrachtet werden.) Für reisende Politiker und offizielle Repräsentanten der Stadt Münster gibt es schon länger einen derartigen Etat. Allerdings käme es – angesichts des relativ geringen finanziellen Aufwand - auf eine möglichst pragmatische Verwaltungslösung an.“ (26)

 

Natürlich blieb auch die derzeitige Mittelvergabe nicht frei von Kritik: So wird auch die „Reform der Kulturförderkungelei und Mittelvergabe hin zu professionellem Kulturmanagement und die transparente Informationsgabe“ (27) angemahnt und „transparentere Entscheidungen, wer warum wie viel erhält“. (18).

Mehrfach wurde auch die stärkere Förderung von kulturschaffenden Frauen und speziell von kulturschaffenden Migrantinnen gefordert. (36/13)

Schließlich wurde auch ein Mitwirkungsrecht der KünstlerInnen bei kulturellen Entscheidungen reklamiert. (32)

 

Angesichts einer zunehmenden Neuorientierung städtischer Kulturpolitik ist auch diese (sicherlich wichtige) Erwartung an die Kulturpolitik wichtig, nämlich „daß entgegen aller wachsenden Event- und Marketingorientierung der Blick auf die INHALTLICHE QUALITÄT von Kunst und Kulturproduktion - das reicht vom Musikunterricht (der an vielen Schule im Argen liegt) bis hin Wahrnehmung örtlicher künstlerischer Qualitäten – nicht verloren geht.“ 26)

 

(Es wurde bei dieser Untersuchung zunächst darauf verzichtet, über den „gesellschaftlichen Wert“ der freien Kulturszene zu diskutieren, eine Diskussion die, wenn sie auch schwierig ist, aber unbedingt geführt werden müsste. der Verf.)

 

Es gibt aber auch Lob aus der Szene, für das bislang von der Stadt geleistete:

„Ich finde Festivals wie das niederländisch-flämische, das dieses Jahr stattfand, als eine große Bereicherung, für mich als Künstler wie auch für die Stadt. Mehr!“ Natürlich ist dieses Lob mit Kritik verbunden: „Münster ist zu sauber, traut sich zu wenig zu (keine Musikhalle, lieber Skaterweltmeisterschaften“), (14) Diese Kritik am Standort Münster lässt sich beliebig fortsetzen: Münster sollte mehr „Mut für ungewöhnliche Projekte“ haben, wird da gefordert oder endlich Münster aus dem „geleckten Mittelmaß“ herauszuholen, verbunden mit der Forderung, „Kultur anzuerkennen und zu fördern, die abseits vom bildungsbürgerlich anerkannten Mainstream stattfindet. Orte, die nicht unbedingt den Ansprüchen an Mainstream- Musentempeln entsprechen zur Verfügung zu stellen bzw. nicht systematisch zu vernichten“. (16) Eine Anspielung wohl auf den – inzwischen geretteten – Hawerkamp.

 

Zusammengefasst erwarten die KünstlerInnen neben mehr Interesse und Anerkennung seitens der Kulturpolitik eine Verbesserung der Kommunikation, mehr Austausch und die Vernetzung der Kulturszene durch die Kulturpolitik, Unterstützung bei Auslandsprojekten, spezielle Förderprogramme für Frauen und MigrantInnen und transparente Strukturen und (eventuell sogar eine Mitsprache) bei der Vergabe städtischer Mittel.

 

Welche Hilfe brauchen KünstlerInnen? Was sollte für die freie Szene gemacht werden?

 

Es wird natürlich keine besonders große Überraschung sein, dass auf unsere Frage 31) „Mal vorausgesetzt, Du willst / Ihr wollt die Ergebnisse Eurer künstlerischen Tätigkeit optimieren. Was müsste gemacht werden und welche Hilfe wäre dabei am notwendigsten?“ eine Antwort am häufigsten genannt wird: „Geld. Und noch mal. Und noch mal“ (38) Viele Künstler wünschen sich z.B. „eine Regelförderung oder/und Projektförderung, um in Ruhe und ohne kommerziellen Druck arbeiten zu können“ (21) Oder: „Es müsste ähnlich wie in den Niederlanden eine grundsätzliche finanzielle regelmäßige Unterstützung geben (vgl. mit Sozialhilfe), von der z.B. ein Atelier und Grundbedürfnisse abgedeckt werden könnten, so dass der Broterwerb durch Nebentätigkeiten reduziert werden könnte.“ Diese Antwort ist auch ein Fingerzeig darauf, dass es nur einigen Künstlern gelingt, von Ihrer Kunst allein zu leben (das waren bei unserer Untersuchung immerhin 15), sondern regelmäßig auf „Brotberufe“ angewiesen sind. Immerhin 22 sich selbst als „professionell“ einstufende KünstlerInnen gaben an, regelmäßig oder gelegentlich auf „Brotberufe“ angewiesen zu sein.

 

Gleich nach dem Top-Thema „Geld“ kommt aber ein anderer Punkt auf die Tagesordnung, bei dem viele KünstlerInnen offensichtlich Probleme haben: Hilfe bei der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Ganz konkret wurde zum Beispiel in Kooperation mit der WWU die Schaffung einer Stelle für Öffentlichkeitsarbeit für die Atelierhäuser Schulstrasse und Fresnostrasse gefordert.

 

Natürlich haben Künstlerinnen auch die gleichen Sorgen wie andere berufstätige Frauen. So wäre für manche Künstlerin schon „ein Platz in einer Kindertagesstätte für den anderthalbjährigen Sohn“ eine große Erleichterung. Ein großer Bedarf wird unisono auch bei professionellen Vermarktern der künstlerischen Produkte gesehen, also einem „professionellem Booker“, ein professionelles Management oder eine gute und faire Agentur. Nicht selten müssen KünstlerInnen als eigene Vermarkter auftreten.

 

Als durchaus vernünftige Anregung ist wohl der Wunsch zu sehen nach „einem münsteraner Wettbewerb mit den verschiedenen Sparten, mit „echten“ Preisen, keine Symbole! (z.B. soundsoviel Auftritte finanzieren, eine Ausstellung an prominenter Stelle etc.) Bester des Jahres in ...“ und der Wunsch nach einem guten umfassenden „Internetportal für Konsumenten, ständig aktualisiert, mit Kunst im Netz, Hör- und Sehbeispielen, so richtig fett.“ (18)

Manchmal richten sich die Bedürfnisse der KünstlerInnen aber auch eher an die Rezipienten. So wurde zum Beispiel häufig auch eine größere „Offenheit des Publikums“ gefordert.

 

Selbsteinschätzung der künstlerischen Entwicklung und Blick in die Zukunft

 

Trotz aller beklagter Mängel und Sorgen kam es bei der Frage nach einer selbstkritischen Einschätzung der Entwicklung der eigenen künstlerischen Arbeit zu einem eindeutig positiven Resümee. 90 Prozent der Befragten gaben an, ihre künstlerische Tätigkeit habe sich in der Vergangenheit positiv entwickelt. Bei der Frage, wie sie denn in die Zukunft blicken (positiv/ skeptisch/ weiß nicht u.a.) fielen die Antworten nicht mehr ganz so einhellig aus. Aber immerhin 50 Prozent der Befragten gaben an, sie blickten optimistisch in die Zukunft. Damit ist also die Stimmung in Münsters freier Kulturszene immerhin noch deutlich besser, als die in der freien Wirtschaft in Deutschland. Allerdings flossen auch bei den „positiv“ Antwortern skeptische Untertöne ein wie diese: „Ich bin positiv eingestellt, aber auch ängstlich, weil ich viel Arbeit habe, und ich nicht weiß, ob ich das durchhalten kann“. Wobei diese Aussage als Beleg dafür dienen mag, dass auch in freien künstlerischen Berufen hart gearbeitet wird.

 

Der Optimismus behält allerdings nur knapp gegenüber der Skepsis Oberhand: Fast 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie doch eher „skeptisch“ in die Zukunft schauen, was angesichts der aktuellen Diskussion um rigorose Einsparungen in den Kulturetats der Stadt und des Landes sicherlich niemanden verwundern mag.

 

Fazit: Ohne die freie Kunst- und Kulturszene, ohne das Engagement vieler einzelner Künstlerinnen und Künstler wäre Münster „eine große Wüste... aber sie lebt“ (5) - noch.

 

Frank Biermann, Münster, 25/2/2002