Westline – online vom 27.2.2002
Münster.
Endlich hat sie mal einer gefragt. Die unbekannten Kämpfer der Vergangenheit sind längst die gefeierten Helden von heute: Das Programmkino Cinema wurde von Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin als Deutschlands bestes Kino ausgezeichnet. Das Theater Titanick trägt den Namen Münsters von Polen bis nach Lateinamerika. Und die Jugendtheaterwerkstatt Cactus schickt sich an, beim Bundestheatertreffen der Jugend in Berlin eingeladen zu werden. Sie alle sind aus Münsters freier Szeneerwachsen. Für die meisten, selbst Kulturinteressierte, ist dieser bunte Haufen eher eine graue Masse.
Gibt es die Freie Szene? Wer gehört dazu? Was macht sie? Was
will sie? Frank Biermann und Rainer Bode (Cuba) haben sich das auch gefragt, die
Initiative Freie Kunst und Kultur (FKK) Münsterreaktiviert und eine Umfrage
gestartet. Jetzt liegt ein Zwischenbericht vor, ein erster Befund aus der Szene
ohne Lobby(wie sie es nennen), der einen Titel trägt, der den Tenor der
Reaktionen wiedergibt: Endlich fragt mal einer. 50unabhängige Kulturschaffende
haben (meist online) geantwortet keine repräsentative Zahl, aber angesichts der
vertretenen Personen und der Bandbreite ihrer Aktivitäten trotzdem
aussagekräftig.
Und das sind die vorläufigen Ergebnisse: Münsters freie
Szene will mehr reden miteinander und mit anderen. Auf die Frage nach
städtischer Kulturpolitik setzten viele ein ?, sie kritisieren mangelndes
Bewusstsein und fehlende Phantasie. Als Ansprechpartner wird nur das Kulturamt
erwähnt. Die Freien wünschen sich mehr (Kultur-)Politiker im Publikum und eine
stärkere Vernetzung mit der Hochkultur wie dem Stadttheater. Geld, Geld, Geld
ist das häufigste Thema. Viele wünschen sich eine Regelförderung wie in den
Niederlanden, um eine Grundsicherung zu haben. Nur wenigen gelingt es, von
ihrer Kunst zuleben. Die meisten gehen regelmäßig Brotberufen nach. Der Wunsch
nach mehr Öffentlichkeit rangiert weit oben auf der Liste, verbunden mit Bitten
um Hilfen bei Werbung und Marketing. Gesucht werden professionelle Booker,
Manager und Agenturen. Geeignetere Räume: Der angegebene Bedarf geht weit
auseinander. Von einem kammermusikalischen Saal mit 200 bis 400 Plätzen über
preiswerte Ateliers bis hin zu einer kommunalen Mietklo-Versorgung für
Freiluft-Events reicht die Palette. Durch das positive Beispiel von Axel Schulß
Ü angeregt, wird der Wunsch nach einer Vermittlungsstelle für leere Ladenlokale
artikuliert. Die Freien sind derzeit zu 90 Prozent mit ihrer Arbeit zufrieden
und zeigen Selbstbewusstsein. Man betrachtet sich als Imageförderer und
Dienstleister für die Stadt. Die Hälfte gab an, bundesweit tätig zu sein, und
bei Großveranstaltungen sei Münster nicht auf Importe aus dem Ruhrgebiet oder
Osnabrück angewiesen. Münsters freie Szene wird gepriesen. Zwei Fünftel wurden
bereits von einer Fachjury oder dem Publikum ausgezeichnet. Die Freien bilden
aus. Drei Fünftel sind in der Nachwuchs-Ausbildung tätig. Gerhard Heinrich Kock
Westfälische Nachrichten - 27. 02. 2002