Landesregierung läßt Katze aus dem Sack
Faktische Abschaffung des Bürgerfunks in NRW geplant
Am Dienstag, 09.01.2007 hielt die Landesregierung in Düsseldorf eine Pressekonferenz zur Reform des Landesmediengesetzes ab. Nun haben wir schwarz auf weiß, was die Regierungskoalition vor
hat:
* Kürzung der Sendezeit auf eine Stunde täglich
* Einheitlicher Sendebeginn um 21.00 Uhr
* Keine fremdsprachigen Sendungen im Bürgerfunk
* Nur noch projektbezogene Förderung (nach Antrag)
Auszüge aus der Presseerklärung der CDU/FDP Koalition:
Reform des Landesmediengesetzes – Neuordnung von Lokal- und Bürgerfunk
9.01.07 | Michael Brinkmeier und Ralf Witzel
Pressekonferenz mit dem medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und dem Parlamentarischer Geschäftsführer und medienpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion
Die Koalitionsfraktionen CDU und FDP haben sich nach dem Regierungswechsel zum Ziel gesetzt, die medienrelevanten Landesgesetze daraufhin zu überprüfen, ob sie den gesellschaftlichen Anforderungen noch ausreichend Rechnung tragen. Technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen müssen dabei berücksichtigt werden:
• Die Evaluation hat klar erkennbar ergeben, dass das Landesmediengesetz (LMG) nicht mehr in allen Bereichen diesen Anforderungen genügt. Eine erste Novelle haben die Fraktionen heute beschlossen. Diese stellen wir Ihnen nun vor.
• Eine weitere Novelle des Landesmediengesetzes wird folgen. Die Vorschriften müssen insgesamt an die Veränderungen von Technik und Markt angepasst werden.
• Wir werden die fortschreitende Digitalisierung begleiten.
• Die Reform des Einzugs der Rundfunkgebühr werden die Fraktionen aktiv mitgestalten.
Die Koalitionsfraktionen CDU und FDP haben heute in ihren Sitzungen die erste Novelle zur Änderung des Landesmediengesetzes verabschiedet. Mit den am Lokalfunk Beteiligten haben wir im Vorfeld diskutiert und ihre Anregungen in den Gesetzentwurf eingebracht. Die Schwerpunkte sind:
• Verbesserung der Qualität im Bereich des Bürgerfunks
• Einfügung eines Funktionsauftrages für den Bürgerfunk
• Stärkung der Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern - "Radio in der Schule"
• Umstellung der Fördersystematik für den Bürgerfunk
• Festlegung fester Sendezeiten für den Bürgerfunk
• Entschlackung des Gesetzes durch die Abschaffung von Medienrat und Medienversammlung
Novellierung:
• Die schwarz-gelbe Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die unterschiedlichen Interessen von Bürgerfunkgruppen, Radiowerkstätten, Radiohörern und Lokalradios abzuwägen und unter Berücksichtigung der eigenen politischen Leitlinien zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Nach den Programmgrundsätzen des § 53 LMG ist der lokale Hörfunk selbst dem Gemeinwohl und der Vielfalt der Meinungen und unterschiedlichen Kräften und Gruppen verpflichtet. Daneben werden 46 Stunden unterschiedlicher Bürgerfunk in NRW pro Tag als ausreichend angesehen. Die Regierungskoalition ist der Ansicht, dass der Rundfunk in NRW eine breite Vielfalt gewähren muss, jedoch nicht losgelöst von den Interessen der Radiohörer und der privaten Rundfunksender. Die privaten Rundfunksender finanzieren sich eigenständig. Sie können aber in den Zeiten, in denen sie verpflichtend Bürgerfunkbeiträge ausstrahlen, allenfalls mit wirklich gut gemachten Bürgerfunkbeiträgen ihren üblichen Marktanteil an Hörern halten, so dass ihnen derzeit beträchtliche wirtschaftliche Einbußen zugemutet werden. Auch wenn der private Hörfunk selbst an einem abwechslungsreichen, informativen, innovativen und modernen Programm interessiert ist, würden viele Beiträge von den privaten Rundfunksendern in der Regel freiwillig nicht oder aber zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt gesendet.
• Die Sendezeit für den Bürgerfunk wird auf eine Stunde täglich festgelegt. Die Ausstrahlung der Stunde Bürgerfunk erfolgt künftig landesweit einheitlich werktags von 21 bis 22 und an Sonn- und Feiertagen zwischen 19 und 21 Uhr. Derzeit findet der Bürgerfunk in den meisten Lokalfunkstationen zwischen 19 und 22 Uhr statt (in elf Lokalrundfunkstationen ab 18 Uhr, in 25 Lokalfunkstationen ab
19 Uhr und in weiteren zehn Sendern von 20 bis 22 Uhr). Eine Verschiebung des Bürgerfunks auf den gewählten Zeitpunkt sichert eine längere "Durchhörbarkeit" des Programms und verhindert ein frühes Abschalten der Mehrheit der Radiohörerinnen und -hörer, die an einem Standartformat interessiert sind. Dadurch wird vermieden, dass die Lokalsender weiterhin erhebliche Hörerpozentiale und damit Einnahmemöglichkeiten verschenken. Die Vereinheitlichung der Bürgerfunksendezeiten ermöglicht Radio NRW ein effizienteres Angebot des Rahmenprogramms, dessen Erlöse den Lokalsendern zugute kommen werden. Bereits jetzt wird von mindestens zehn Sendern Bürgerfunk nach 20 Uhr gesendet. Dazu gehören auch die erfolgreichen Lokalsender Radio Lippe Welle Hamm und Radio MK. Zudem hat sich das Freizeitverhalten der Menschen verändert, sie können etwa länger einkaufen, kommen später nach Hause und die Geschäfte, in denen häufig Lokalsender gespielt werden, haben länger geöffnet.
• Darüber hinaus hat die Koalition aus CDU und FDP vereinbart, dass besondere zusätzliche Sendezeiten ermöglicht werden können. Lokalsender haben künftig die Möglichkeit, besondere Sendezeiten für Produktionen im Rahmen der Medienkompetenzförderung durch Schulprojekte zu schaffen. Die frühere gesetzgeberische Intention für den Bürgerfunk in NRW war Partizipation, Medienkompetenzvermittlung und lokalpublizistische Ergänzung (Vielfaltsreserve). CDU und FDP haben vereinbart, dass die Intention des Bürgerfunks "Partizipation" und "Vielfaltsreserve" mit der Novellierung des LMG im Vergleich zur Förderung der Medienkompetenz in den Hintergrund rückt. Denn eine Partizipation der Bürger und Gruppen ist heutzutage bereits weitreichend im Internet und anderen Medien möglich (Podcasts, Internetseiten, etc.). Stattdessen werden erstmals für den Bürgerfunk "die Ergänzung des lokalen Informationsangebots, die Förderung der Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen und der Beitrag zur gesellschaftlichen Meinungsbildung" als klarer Funktionsauftrag im LMG festgeschrieben.
• Durch die neue Schwerpunktsetzung in den Bereichen Medienkompetenzförderung sowie Aus- und Weiterbildung wird die Fördersystematik neu ausgerichtet. Ein beträchtlicher Teil der bisherigen Bürgerfunkmittel der LfM wird dem Zweck "Radio in der Schule" vorbehalten. Dadurch wird ein Anreiz für die lokalen Radiostationen geschaffen, in ihr Radioprogramm verstärkt Radioproduktionen aufzunehmen, die aus Schulprojekten hervorgehen.
• Sendebeiträge müssen künftig einen klar erkennbaren lokalen Bezug zum Verbreitungsgebiet haben sowie in deutscher Sprache gesendet werden. Das Angebot muss für alle deutschsprachigen Radiohörerinnen und -hörer verständlich sein. Die schwarz-gelbe Koalition vertritt die Ansicht, dass Bürgerradio für alle da sein muss. Es soll den Dialog zwischen ausländischen und deutschen Bürgerinnen und Bürgern fördern. So bietet sich auch an einer anderen Kultur und Fremdsprache interessierten deutschsprachigen Zuhörerinnen und Zuhörern die Chance, mehr über eine solche zu erfahren.
• Die durch die Novelle 2002 eingeführten Institutionen Medienrat und Medienversammlung sind in ihrer Anwendung nicht flexibel genug und binden zu viele Ressourcen der LfM. Als Organ der LfM hat der Medienrat keinen Mehrwert erbracht. Die LfM hat unabhängig von diesen beiden Einrichtungen alle Möglichkeiten, unbürokratisch größere öffentliche Diskussionsveranstaltungen durchzuführen und wissenschaftliche Begleitforschung in Auftrag zu geben. Eine gesetzlich festgelegte Medienversammlung und ein Medienrat sind dazu nicht notwendig.