Schülerhilfe in
Viscri
Nach der achten Klasse gehen die
Schüler entweder auf ein Lyzeum, wo sie nach vier Jahren Abitur machen
(Petra, Ioana C., Andrea, Andrada, Costel S., Răzvan), oder sie
besuchen berufsbildende Schulen. Dort können sie nach drei Jahren einen
ersten Abschluss oder nach fünf Jahren eine Art Fachabitur machen, was
natürlich eine höhere Qualifikation bedeutet und die Chancen, eine gut
bezahlte Arbeit zu finden, wesentlich erhöht. Wir versuchen, die
Schülerinnen und Schüler zunächst einmal bis zum ersten Abschluss mit
ca. 70 € monatlich zu unterstützen. Davon können sie in etwa die
Internatskosten bezahlen. Was wir darüber hinaus tun können, hängt von
der Höhe der Spenden ab. Ab diesem Schuljahr 2010/2011 haben wir 16
lernbegierige Schülerinnen und Schüler, die Unterstützung brauchen. Das
ist natürlich eine große Herausforderung. Deshalb bedanke ich mich für
Eure Hilfe.
Annette
Schorb
(Auszugsweise
sind im Folgenden Briefe von einigen der Jugendlichen an
die Spender mit Zusatzinformationen von Annette Schorb zusammengestellt
– d. Red.)
Jonschi
im Sommer 09:
Ich heiße Ötvös
Janozs (genannt Jonschi) und bin 17 Jahre alt. Vielen
Dank für Ihre Hilfe. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich ohne Sie die
Schule nicht beenden könnte, weil ich sehr arm bin und meine Eltern
sich eine Ausbildung für mich nicht leisten können. Dank Ihnen und der
Hilfe Gottes kann ich in Făgăraş auf die Schule für Lebensmittelberufe
(Koch, Verkäufer, Kellner etc.) gehen. Ich hatte im letzten Schuljahr,
welches mein erstes in dieser Schule war, einen Notendurchschnitt von
8,11*.
Ich danke Ihnen, Janozs Ötvös
Jonschi, der eigentlich Janosz heißt, kommt aus einer großen, ungarisch
sprechenden Roma-Familie. Seine Mutter hat vier Kinder eingebracht,
der Vater zwei, und dann gibt es noch zwei gemeinsame Buben. Er ist mit
seinen großen Brüdern in einem Heim aufgewachsen. Die Älteren haben
dort Bauhandwerke gelernt und sind in Lohn und Brot. Die Kinder des
Vaters sind erwachsen und Analphabeten. Jonschi lebt seit einigen
Jahren hier in Viscri in seiner Familie und hat es dort nicht leicht.
Ihn prügeln die Eltern und die jüngeren Geschwister gleichermaßen, nur
die beiden Großen stecken ihm hin und wieder etwas zu. Trotzdem ist er
ein ungewöhnlich freundlicher Junge und macht einen wohlerzogenen
Eindruck.Der Schulbesuch ist für ihn auch deshalb so wichtig, weil er
unbedingt der häuslichen Situation entfliehen und einen ordentlichen
Beruf erlernen will. Er möchte Koch werden und besucht jetzt im zweiten
Jahr die Schule für Lebensmittelberufe in Făgăraş, 40 Kilometer von
Viscri entfernt. Da es hier keinen öffentlichen Nahverkehr gibt, muss
er im Internat wohnen und kann höchstens einmal im Monat nach Hause
fahren. Sein Vater arbeitet als Tagelöhner bei einem Maurer, d. h. er
hat nur Arbeit und Verdienst, wenn der Maurer Arbeit für ihn hat, seine
Mutter strickt Socken und macht Hausschuhe, Hüte und Taschen aus Filz.
Was die beiden verdienen, reicht niemals aus, das Internat, die Bücher,
Hefte und Stifte, die Schuluniform und vieles mehr zu bezahlen.
--
* Ein Notendurchschnitt von 8,11 entspricht einer Zwei in Deutschland.
In Rumänien ist die beste Note die Zehn, die schlechteste die Eins.
Petra im Frühjahr 09:
Guten
Tag,
ich bin Petra Dootz, 16 Jahre alt und wohne in Viscri. Ich gehe in die
10. Klasse des „St. O. Iosif“ Lyzeums in Rupea, auf den mathematischen
Informatikzweig. Ich werde dort sehr gefordert und muss viel arbeiten,
aber mir gefällt es, und ich komme gut zurecht. Später möchte ich
Volkswirtschaft studieren. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, da wir
zu wenig Geld haben. Ich komme aus einer bescheidenen Familie. Ich
habe zwei ältere Geschwister, die beide verheiratet sind. Im letzten
August ist mein Vater gestorben. Meine Mutter arbeitet nun allein in
unserer kleinen Landwirtschaft, obwohl auch sie sehr krank ist. Mit
dem Geld, das ich von Ihnen bekomme, bezahle ich das Internat. Ich
brauche aber darüber hinaus viel für die Schule, und meine Mutter
schafft es oft nur knapp, diese zusätzlichen Ausgaben mit dem Geld zu
bezahlen, das sie an der Milch unserer Kühe verdient. Ich danke Ihnen
sehr für das, was Sie für mich tun und hoffe auch in Zukunft auf Ihre
Hilfe,
Petra
Petra
kommt keineswegs aus einer der ärmsten Familien hier im Dorf, und
trotzdem ist der Schulbesuch eine monatlich wiederkehrende
Herausforderung für ihre Mutter, die im letzten Jahr eine
Krebsoperation hatte. Die beiden älteren Geschwister können ihr auch
nicht helfen. Die Schwester ist allein erziehende Mutter und hat keine
Arbeit. Der Bruder findet unregelmäßig Arbeit als Tagelöhner im Dorf
und verdient kaum das Auskommen für sich und seine Familie. Im letzten
Sommer ist ihr Vater nach langer, schwerer und vor allem kostspieliger
Krankheit gestorben, was die finanziellen Rücklagen der Familie
gänzlich verbraucht hat.
Petra geht zurzeit in die 12. Klasse und macht im nächsten Sommer ihr
Abitur.
Nelu im Sommer 09:
Guten
Tag,
Ich heiße Imre Ioan Zsiga (genannt Nelu) und bin 17 Jahre alt. Wir sind
drei Brüder, ich bin der Älteste und besuche das Forstlyzeum in
Braşov. Meine Eltern haben keine feste Arbeit, und die Situation der
Familie ist nicht besonders gut. Meine Eltern tun, was sie können,
damit wir in die Schule gehen können. Meine Mutter hat in der Spinnerei
gearbeitet. Die ist aber geschlossen worden, deshalb bezieht sie
Arbeitslosengeld, so dass wir nur ein kleines und nur für kurze Zeit
regelmäßiges Einkommen haben. Wenn ich die Möglichkeit habe, will ich
weiterhin zur Schule gehen, weil ich ohne Abschluss keine Anstellung
bekommen kann. Meine jüngeren Brüder gehen in die 7. und 5. Klasse,
auch sie brauchen Geld. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, was Sie
für mich und die anderen Kinder tun,
Imre Ioan Zsiga
Es dreht sich leider, wie bei allen anderen Kindern nur darum, ob das
Geld für eine Ausbildung reicht. Nelus Eltern sind ganz besonders
fleißige und zuverlässige Leute. Beide kommen sie aus Elternhäusern,
die sozial auf der untersten Stufe im Dorf stehen. Marcela, Nelus
Mutter, war die zuverlässigste und fleißigste Arbeiterin in unserer
Spinnerei, die wir leider wegen nachlassender Nachfrage nach Socken
vorübergehend schließen mussten. Sein Vater findet gelegentlich Arbeit
mit seinen Pferden im Wald, hat dort aber keine feste Anstellung. Durch
ihren Fleiß haben es die beiden immerhin zu vier Kühen und drei
Pferden gebracht, und sie haben den großen Wunsch, allen drei Söhnen
eine Ausbildung zu ermöglichen. Obwohl sie mehr haben, als viele
andere, wäre das auch in diesem Fall ohne Hilfe nicht möglich.