Über 75.000 demonstrieren in Berlin und Stuttgart gegen den Krieg
Am Samstag, 13. Oktober, demonstrierten in Berlin, Stuttgart, München und anderen Städten über 75 Tausend Menschen gegen Terror und Krieg. Die größten Demonstrationen fanden in Berlin (50.000) und in Stuttgart (25.000) statt. Die Demonstrationen verliefen, wie das bei der Friedensbewegung üblich ist, ausgesprochen friedlich. Zu einem Zwischenfall kam es lediglich in Berlin, als während der Abschlusskundgebung auf dem Dom ein NPD-Transparent entrollt wurde. Die Friedensdemonstranten quittierten diese Provokation mit einem gellenden Pfeifkonzert und sorgten innerhalb weniger Minuten dafür, dass das Transparent wieder entfernt wurde. Die Demo-Leitung wies jeglichen Versuch rechtsradikaler und neonazistischer Kreise, sich mit verlogenen Parolen in die Friedensbewegung einzuschleichen, zurück. "Wer, wie die Faschisten in Deutschland, sich zum geistigen Mittäter an den terroristischen Anschlägen in den USA erklärt, verhöhnt die unschuldigen Opfer, wenn er das Wort Frieden nur in den Mund nimmt. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen", heißt es in einer Erklärung des Trägerkreises dazu.
Im Namen des Trägerkreises der Bundesweiten Demonstration in Berlin, dem 36 Organisationen angehören (100 weitere Organisationen unterstützten den Aufruf), trug Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag folgende gemeinsame Abschlusserklärung vor: Abschlusserklärung der bundesweiten Friedensdemonstration am 13. Oktober 2001 in Berlin Der Krieg gegen Afghanistan wird den internationalen Terrorismus nicht beenden. Im Gegenteil: Es werden neue Terrororganisationen in anderen Ländern entstehen und die Welt wird noch unsicherer werden. US-Präsident Bush hat uns einen langen Krieg angekündigt. Dem Krieg gegen Afghanistan sollen weitere Kriege gegen andere Länder folgen. Jeder dieser Kriege ist ein weiterer Schritt in die Eskalation der Gewalt, vor der die Friedensbewegung seit den entsetzlichen Terroranschlägen am 11. September gewarnt hat.
Schon nach wenigen Tagen Krieg hat sich herausgestellt, dass von den Bomben- und Raketenangriffen wieder vor allem die Zivilbevölkerung getroffen wird. Schon der gewaltige Truppenaufmarsch der USA hatte ein Flüchtlingsdrama in Afghanistan ausgelöst. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Hunderttausenden droht der Hungertod. Als Zynismus muss es empfunden werden, wenn die US-Flieger parallel zu den Bombardierungen Lebensmittelrationen über dem Land abwerfen, während gleichzeitig die zivilen Hilfsorganisationen daran gehindert sind, weiter ihrer lebensrettenden Arbeit nachzugehen. Wir fordern die Ausweitung der humanitären Hilfe und ein Wiederaufbauprogramm unter Leitung der Vereinten Nationen.
Die Politik der USA und ihrer NATO-Verbündeten einschließlich der Bundesregierung unterwirft sich ganz der militärischen "Logik", die auf den Terror mit Krieg, auf den Massenmord vom 11. September mit der "kollateralen" Tötung unschuldiger Menschen antwortet. Am Ende triumphiert die "Logik der Gewalt". Zu befürchten ist, dass sich die Spirale aus Terror und Krieg, Gewalt und Gegengewalt weiter drehen wird. Und diese Spirale wird begleitet sein von einem neuen Rüstungswettlauf, der von dem ebenso unsinnigen wie sündhaft teuren US-Raketenabwehrsystem weiter angeheizt wird. Wir sind gegen die Aufrüstung im Weltraum! Wir sind gegen den Rüstungsexport und die Produktion neuer Waffen hier bei uns! Wir mahnen mit dem großen amerikanischen Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, der vor mehr als 30 Jahren sagte: "Die Kettenreaktion des Bösen - Hass, der Hass erzeugt, Kriege, die noch mehr Kriege hervorbringen - muss gebrochen werden oder wir stürzen alle in den dunklen Abgrund der Vernichtung." Die Friedensbewegung in der Bundesrepublik hat stets vor der Eskalationsgefahr bei Militäreinsätzen gewarnt und eine grundsätzlich andere Politik angemahnt. Eine solche Politik besteht im Kern darin, dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen, auf dem er gedeiht. Dazu müssen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ursachen von Elend, Verzweiflung und Ausgrenzung beseitigt, soziale Gerechtigkeit hergestellt und den Menschen überall in der Welt Perspektiven angeboten und Mitwirkungsrechte an der Gestaltung ihres Lebens gegeben werden. Dies ist die langfristige Perspektive.
Aber auch kurzfristig hätte es Alternativen zum Krieg gegeben: Ein Auslieferungsantrag an das Regime in Afghanistan hätte wirkungsvoller vorgetragen und umgesetzt werden können, wenn man ihn über die Arabische Liga oder über die OIC, die Organisation der Islamischen Konferenz gestellt hätte. Die OIC vertritt etwa eine Milliarde Menschen aus 57 Ländern. Die Friedensbewegung fordert auch, die so genannte "Allianz gegen den Terrorismus" bei der UNO unter gleichberechtigter Mitwirkung der islamischen Staaten anzusiedeln. Zur Aburteilung von überführten terroristischen Straftätern soll der künftige Internationale Gerichtshof ermächtigt werden. Leider wird der erbittertste Widerstand gegen dieses Gericht von der Regierung der USA geleistet. Die Friedensbewegung warnt vor den innenpolitischen Auswirkungen der teils beschlossenen, teils diskutierten Antiterror-Maßnahmen. Ein Generalverdacht gegen islamische Gruppierungen und die Diskriminierung von Moslems sind das Gegenteil von Terrorismusbekämpfung, sie sind vielmehr die Vorstufe zu neuen gesellschaftlichen Konfrontationen. Schnellschüsse aus der Mottenkiste der "Inneren Sicherheit" wie eine neuerliche "Kronzeugenregelung", die Ausweitung von Raster- und Schleierfahndung oder den Einsatz von Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab. Sie gefährden die freiheitlichen Bürger- und Menschenrechte und vergiften das innenpolitische Klima. Der Freiheit ist es nie gut bekommen, wenn zu ihrem angeblichen Schutz Freiheitsrechte abgebaut wurden.
Mit der vom Bundeskanzler versprochenen "vorbehaltlosen" Unterstützung des Krieges missbraucht die Bundesregierung die Gefühle der Anteilnahme und Solidarität, die in der Bevölkerung während der letzten Wochen mit den Opfern und Angehörigen der Terroranschläge von New York und Washington so eindrucksvoll geäußert wurden. Es darf nicht zugelassen werden, dass diese Menschen in die schlichte Frontstellung des US-Präsidenten eingespannt werden, wonach alle, die nicht "für die USA" sind, "für die Terroristen" seien. Die Friedensbewegung lehnt Terrorismus ohne Wenn und Aber ab. Mit derselben Entschiedenheit lehnt sie aber auch den Krieg ab.
Statt militärischer Beteiligung erwarten wir von der Bundesregierung Zivilcourage, Mut zur Kritik und Mäßigung gegenüber den NATO-Partnern und die Herstellung friedlicher und freundschaftlicher Beziehungen zu allen Völkern dieser Erde. Dafür wird sich die Friedensbewegung vorbehaltlos und ohne Einschränkungen einsetzen.
Vor fast hundert Jahren erhielt als erste Frau Bertha von Suttner den Friedensnobelpreis. Was sie damals zur Absurdität der Rache aufschrieb, muss heute wieder ganz laut gesagt werden: "Rache und immer wieder Rache! Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecke mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegputzen zu wollen - nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden."
Heute demonstrieren in Stuttgart 25.000 Menschen, Antikriegsdemonstrationen finden heute im Rahmen eines "global action day" in zahlreichen Städten der USA und Großbritanniens statt, in Australien, in Italien, Frankreich, Belgien, Österreich und in vielen anderen Ländern. Und hier in Berlin sind wir heute 50.000. Lasst uns die Forderungen, die uns zu diesen Friedenskundgebungen zusammengebracht haben, noch einmal bekräftigen:
Stoppt den Krieg! Stoppt den Terror! Stehen wir auf für den Frieden! Setzen wir uns ein für internationale Solidarität und für soziale Gerechtigkeit - überall in der Welt, auch bei uns!
Über 50.000 Menschen demonstrierten am 13. Oktober auf dem Gendarmenmarkt in Berlin gegen Krieg, soziale Ungerechtigkeit, kapitalistische Globalisierung, für Frieden, Toleranz und ein solidarisches Miteinander der Völker dieser einen Welt. Dies war damit die größte Manifestation der deutschen Friedensbewegung nach dem Golfkrieg. Mehr als 140 Organisationen, Gruppen, Initiativen, Bündnisse aus unterschiedlichen politischen Spektren hatten für den 13. Oktober zu einer Friedensdemonstration nach Berlin aufgerufen, die zeitgleich mit einer weiteren Demonstration in Stuttgart stattfand. Sie stand unter den Losungen: Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden! Für Solidarität und soziale Gerechtigkeit!
Wir sagen NEIN zu Vergeltung, Krieg und Militäreinsätzen. Wir sagen NEIN zu militärischen Einsätzen der Bundeswehr. Wir sagen NEIN zur Aufrüstung der Bundeswehr als Interventionsarmee. Keine Demontage- von Grund- und Freiheitsrechten! Gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung! Tragen wir dazu bei, die Spaltung der Welt zu überwinden!
Drei Dinge waren am 13. Oktober in Berlin erneut sichtbar.
1.Die Friedensbewegung repräsentiert nach wie vor ein breites Spektrum unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Positionen. Diese Vielfalt war auf den mitgeführten Plakaten und Transparenten zu lesen und wurde auch in den verschiedenen Redebeiträgen deutlich.
2.Die Meinungen zu den Ursachen der Anschläge in den USA gingen auch auf dem Gendarmenmarkt weit auseinander. Die Friedensbewegung ist sich jedoch nicht nur in der Abscheu der terroristischen Attentate in den USA einig, sondern auch darin, dass die derzeitigen Überfälle der USA und der mit ihr gemeinsam handelnden Staaten auf Afghanistan kein Mittel sind, um der Welt den Frieden zu bringen. Deutliche Übereinstimmung gab es auch in der Ablehnung gegenüber einer Beteiligung der BRD an einer solchen Politik. Beide, die Überfälle der USA und die Politik der Bundesregierung wurden in mehreren Beiträgen als zynisch und als den Weltfrieden und die Sicherheit der eigenen Bevölkerung gefährdend scharf verurteilt.
3.Es sind nach wie vor Betroffenheit, humanistischer, demokratischer Anspruch und Sorge über die Auswirkung einer abenteuerlichen , menschenverachtenden Gewaltpolik der Regierungen, die Menschen eines solchen breiten Sprektrums in Konfrontation zu den Regierenden und zu gemeinsamen Aktionen auf die Straße führen. Das Recht, ein solches Anliegen in geeigneter Form in die Öffentlichkeit zu tragen ist in langen Jahren und harten Auseinandersetzungen erstritten worden. Sollte der Versuch unternommen werden, Demokratie an diesem Punkt zu demontieren wird es zu Widerstand kommen.
Auf den drei Auftaktkundgebungen am Brandenburger Tor, am Neptunbrunnen /Rotes Rathaus und am S- und U-Bahnhof Friedrichstraße und auf der Abschlusskundgebung am Gendarmenmarkt wurden Redebeiträge u.a. von Prof. Dr. Joseph Weizenbaum, Käthe Reichel, Dr.Peter Strutynski gehalten. (Eine vollständige Liste der Rednerinnen und Redner der drei Auftaktveranstaltungen und der Abschlusskundgebung befindet sich im Anhang.) Die einzelnen Beiträge werden in den nächsten Tagen auf der Internet-Seite der Demonstration unter www.demo1310.de veröffentlicht. Dort ist auch die Liste der Organisationen und Einzelpersönlichkeiten zu erhalten, die zu dieser Demonstration aufgerufen haben. Wir bitten für diese Vorgehensweise um Verständnis. Das Abdrucken allein dieser beiden Listen würde die Möglichkeit einer kurzen Presseinformation weit überschreiten.)
Berlin, 13. Oktober 2001
Versuche von Faschisten, in die Demonstration einzudringen, wurden entschlossen zurückgewiesen und verhindert. Das Bündnis erklärt noch einmal ausdrücklich, dass es keine Berührungspunkte mit der NPD und anderen faschistischen Organisationen gibt.
Mit dieser hohen Zahl von TeilnehmerInnen wurden die Erwartungen des Bündnisses gegen Krieg erfüllt.
Wir rufen dazu auf, in den kommenden Wochen Aktionen des Zivilen Ungehorsams durchzuführen: in den Betrieben, in den Schulen, in Büros und auf der Straße.
Friedensbewegung fordert: Konflikte ohne Krieg lösen! Keine Bomben mehr auf Afghanistan! Die Ursachen des Terrorismus bekämpfen
Mehr als 30.000 Friedensaktivistinnen und -aktivisten demonstrierten heute in der Stuttgarter Innenstadt für ein Ende der Bombardements auf Afghanistan und gegen einen Kriegseinsatz der Bundeswehr. Eingeladen zu der Friedenskundgebung hatten u. a. das Friedensnetz Baden-Württemberg, verschiedene Gewerkschaften, die ökumenische Aktion Ohne Rüstung Leben, die katholische Friedensbewegung Pax Christi , die Gesellschaft Kultur des Friedens.
" Gewalt ist nicht mit Gegengewalt wegzubomben" erklärte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft DFG/VK: und forderte "Demokratie, die ihrem Namen gerecht werden will, muss demokratische Mittel einsetzen und das Völkerrecht wahren. Bombenterror ist das Mittel bin Ladens und seines Terrornetzes. Mit jeder US-Bombe, die auf afghanische Städte und Dörfer abgeworfen wird ,sterben unschuldige Zivilisten, wird neuer Hass geschürt"
"Unser Mitgefühl gilt den Toten, den Verletzten, den Trauernden und den Geschädigten, so Martin Klumpp, Dekan der evangelischen Landeskirche in Stuttgart. Für Klumpp ist der "kriegerische Terror gegen die USA schrecklich und gewissenlos". Doch genauso gelte :"Krieg ist kein Mittel, den Terror zu überwinden." Damit bringe man so Klumpp weiter "dem Terror nur noch mehr Menschenopfer" Eine "wahre Friedenspolitik zeichne sich dadurch aus "wenn für Entwicklungshilfe und soziale Krisenprävention" genauso viel Geld ausgegeben werde "wie für Rüstung und innere Sicherheit"
Für die ver.di Landesbezirksleiterin Sybille Stamm "droht dieser Krieg einen Flächenbrand des Hasses zu entfesseln." Der Krieg "koste Menschenleben - Tote, die keinen der im Ground Zero Begrabenen wieder lebendig macht". Die jetzt schon katastrophale Lage der afghanischen Bevölkerung werde "durch die Bombardierung noch bedrohlicher, als sie ohnehin schon war"
Für Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr ist "das Gemetzel an Unschuldigen wie es in Washington und New York geschah" keine Rechtfertigung dafür "im Gegenzug nun wiederum Unschuldige zu töten" . Bereits seit der Antike wisse "die Menschheit, dass der Umstand erlittenen Unrechts nie und nimmer den eigenen Rechtsbruch - und sei es nur zur Vergeltung - zu rechtfertigen vermag": Nicht Krieg könne den Frieden bringen, sondern allein Gerechtigkeit.
Am Vormittag demonstrierten mehr als 300 Pazifistinnen und Pazifisten mit einer Mahnwache vor dem Zufahrtsweg der Kommandoeinsatzzentrale der US-Armee für Europa, Afrika und den Nahen Osten in Stuttgart-Vaihingen (EUCOM)