Zu Adolph Woermann heißt es auf dem erklärenden Schild „Hamburger Reeder und Kolonialpolitiker“. Woermann eröffnete 1868 eine Handelsniederlassung an der Mündung des Kamerunflusses an der Westküste Afrikas. Dabei ging es vor allem um den Import von Palmöl, später auch Kautschuk. Nach Afrika lieferte Woermann vor allem Alkohol und Waffen.[1] Um seine Geschäfte abzusichern, setzte er sich in den 1880er-Jahren in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Hamburger Handelskammer sowie als Reichstagsabgeordneter für ein deutsches koloniales Engagement ein und warb bei Reichskanzler Bismarck persönlich um die Entsendung von sogenannten Schutztruppen.
Mit betrügerischen Handelsverträgen kauften Woermanns Agenten der einheimischen Bevölkerung, etwa dem Douala-Volk im heutigen Kamerun, Hoheitsrechte ab. Die ihrer Lebensgrundlage beraubten Menschen wurden fortan als Träger in den Kautschukplantagen ausgebeutet. Bei Ungehorsam kam es dabei auch zur Anwendung der Prügelstrafe durch Mitarbeiter von Woermanns Unternehmen.[2] Durch kriegerische Eroberungen der Kolonialtruppen, bei denen Einheimische enteignet und vertrieben wurden, konnten Woermann und andere hanseatische Kaufmänner ihre Plantagen vergrößern und kriegsgefangene Männer, Frauen und Kinder zur Zwangsarbeit verpflichten, bei der menschlicher Verschleiß und hohe Sterberaten billigend in Kauf genommen wurden.[3]
Auch im heutigen Namibia trieb Woermann Geschäfte. Als die Völker der Herero und Nama gegen ihre Ausbeutung und Vertreibung sich zur Wehr zu setzen begannen, wurde dieser Aufstand (1904–1908) von deutschen Truppen brutal niedergeschlagen, wobei bis zu 100 000 Menschen ihr Leben verloren. Inzwischen hat Deutschland die politisch-moralische Verantwortung für diese Verbrechen übernommen und die Bundesregierung spricht in diesem Zusammenhang offiziell von Völkermord.[4] Adolph Woermann profitierte von der Niederschlagung des Aufstandes in mehrfacher Hinsicht: Mit seiner Schifffahrtslinie ließ er Waffen und Soldaten in die Kolonie transportieren; die in Konzentrationslager gesperrten Kriegsgefangenen, von denen viele die inhumane Haft nicht überlebten, setzte er als Zwangsarbeiter ein.[5]
Mehrfach geriet Woermann bereits zu Lebzeiten aufgrund seiner skrupellosen Geschäftspraktiken in die Kritik, so etwa wegen des Exports von billigen Spirituosen, der zur Alkoholsucht unter den Einheimischen führte,[6] oder wegen der überhöhten Frachtgebühren, die er dem Deutschen Reich für Waffen- und Soldatentransporte in Rechnung stellte.[7] Heute ist das Bild Woermanns als „ehrbarer“ Kaufmann, Reeder und Politiker erst recht nicht mehr aufrechtzuerhalten. Er profitierte nicht nur von der Enteignung, Ausbeutung und Ermordung von Menschen in den kolonisierten Gebieten, sondern trieb diese Entwicklung entscheidend mit voran. Auch in Städten wie Berlin und Hamburg setzen sich daher Initiativen dafür ein, nach Woermann benannte Straßen umzubenennen.
Zum Weiterlesen:
- Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914, Berlin 2015
- Alexandra Gittermann, Steinreich durch Schnaps und Zwangsarbeit, 23.03.2021, https://www.spiegel.de/geschichte/kolonialist-adolph-woermann-reich-durch-schnaps-und-zwangsarbeit-in-afrika-a-7d8102dd-f383-4c98-8f68-c8f3bd931f2d
- Bartholomäus Grill: Wir Herrenmenschen. Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte, München 2019
- Gernot Knödler: Einträglicher Schwindel, taz online, 5.10.2014, http://www.taz.de/!5031841
- Heiko Möhle: „Pardon wird nicht gegeben“ – Aufständische Afrikaner und hanseatische Kriegsgewinnler, in: Ders. (Hrsg.), Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika – eine Spurensuche, Berlin 2011
- Olivia Samnick: Wie Geschäftsleute des Kolonialismus ermöglichten – und heute noch davon profitieren, in Katapult, Nr. 20, Jan.-März 2021, S. 22-28
Anmerkungen:
[1] Vgl. Alexandra Gittermann, Steinreich durch Schnaps und Zwangsarbeit, 23.03.2021, https://www.spiegel.de/geschichte/kolonialist-adolph-woermann-reich-durch-schnaps-und-zwangsarbeit-in-afrika-a-7d8102dd-f383-4c98-8f68-c8f3bd931f2d
[2] Vgl. Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914, Berlin 2015, S. 32
[3] Vgl. Adolph Woermann: Deutschlands größter Kolonialprofiteur, in: Stadt neu lesen. Dossier zu kolonialen und rassistischen Straßennamen in Berlin, hrsg. v. Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag, 2016, S. 20f. sowie Bartholomäus Grill: Wir Herrenmenschen. Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte, München 2019, S. 139f.
[4] Vgl. Andreas Kynast/Katharina Thode, Namibia: Deutschland erkennt Völkermord an, 27.05.2021, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland-namibia-herero-voelkermord-100.html
[5] Vgl. Heiko Möhle, „Pardon wird nicht gegeben“ – Aufständische Afrikaner und hanseatische Kriegsgewinnler, in: Ders. (Hrsg.), Branntwein, Bibeln und Bananen, Berlin 1999, S. 63ff. sowie Grill (Anm. 6), S. 173
[6] Vgl. Olivia Samnick, Wie Geschäftsleute des Kolonialismus ermöglichten – und heute noch davon profitieren, in Katapult, Nr. 20, Jan.-März 2021, S. 24
[7] Vgl. Gittermann, Steinreich (Anm. 4)