Adolf Lüderitz

Der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz wird auf der erklärenden Tafel unter dem Straßennamenschild in der nach ihm benannten Straße als „Gründer von Deutsch-Südwestafrika“ bezeichnet. Tatsächlich kaufte er von der ansässigen Bevölkerung in Südwestafrika, dem heutigen Namibia, 1883 Land, um dort mit Waffen und Alkohol handeln zu können sowie um Bodenschätze auszubeuten.

Foto: privat

Dabei betrog er das Volk der Nama mit dem sogenannten „Meilenschwindel“, bei dem er diese glauben ließ, bei der im Vertrag angegebenen Maßeinheit handele es sich um Englische Meilen, die viermal kürzer sind als geografische Meilen. Das von ihm erbeutete Gebiet war damit 16-mal größer, als von seinen Vertragspartnern vermutet. Von kritischen Stimmen wurde Lüderitz deswegen schon zu Lebzeiten als „Lügenfritz“ bezeichnet. Mit weiteren Verträgen dieser Art sicherte sich Lüderitz im Folgenden große Teile der Ostküste des heutigen Namibias und ließ sich die Gebiete ab 1884 militärisch durch das Deutsche Reich absichern.[1]

Foto: Bildarchiv der Deutschen Kolonialgesellschaft, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, 018-0080-12

Das Bild von Lüderitz als „Gründer“ oder auch „Kolonialpionier“ stammt aus einer Zeit, in der die koloniale Geschichte Deutschlands noch als „glorreiche Vergangenheit“ betrachtet wurde. Im Gegensatz dazu gilt die Kolonialgeschichte heute als „dunkles Kapitel“ und wird zunehmend kritisch aufgearbeitet. Die Motive, eine Straße nach einem Kolonialakteur wie Lüderitz zu benennen, sind demnach als nicht mehr angemessen zu betrachten und liegen weit hinter dem zurück, was in der wissenschaftlichen Forschung schon lange Konsens ist: Dort werden die Methoden Lüderitzʼ als „Musterbeispiele eines rücksichtlosen, menschenverachtenden Vordringens[2] bezeichnet.

Städte wie Bochum oder Köln haben sich deswegen dazu entschieden, nach Lüderitz benannte Straßen umzubenennen: Die Kölner Lüderitzstraße wurde 1990 in Usambarastraße umbenannt, jene in Bochum 1998 in Ottilie-Schoenewald-Straße.[3] In anderen Städten, darunter auch die Heimat Lüderitzʼ Bremen, wird über Umbenennungen debattiert.

Zum Weiterlesen:

  • Bartholomäus Grill: Wir Herrenmenschen. Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Kolonialgeschichte, München 2019
  • Olivia Samnick: Wie Geschäftsleute des Kolonialismus ermöglichten – und heute noch davon profitieren, in Katapult, Nr. 20, Jan.-März 2021, S. 22-28
  • Christian Staas: „Aufräumen, aufhängen, niederknallen“. Deutsche Kolonialverbrechen, in: Die Zeit, 23.11.2010, https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2010/04/Kolonialismus/komplettansicht?print

Anmerkungen:

[1] Vgl. Adolf Eduard Lüderitz: „Begründer des deutschen Kolonialwesens“, in: Stadt neu lesen. Dossier zu kolonialen und rassistischen Straßennamen in Berlin, hrsg. v. Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag, 2016, S. 28f.

[2] Zit. n. Winfried Speitkamp, Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart 2016, S. 27

[3] http://freedom-roads.de/frrd/umbenenn.htm