„Es entsteht ein neues Wir-Gefühl“

von Margi-Maria Dahm

Des Alleinseins über­drüssig? Auf entsprechenden Seiten im Internet findet man eine Fülle von Angeboten, die bei Partnerwunsch zur Verfü­gung stehen. Daneben gibt es sie aber noch: die Partnerver­mittler aus „Fleisch und Blut“. Im folgenden Interview gewährt uns ein Vermittler aus Münster Einblick in seinen Beruf.

Welche Eigenschaften halten Sie für die wichtigsten bei der Ausü­bung Ihres Berufs?

Menschenkenntnis und Einfüh­lungsvermögen.

Wie sind Sie zu ihrem Beruf ge­kommen?

Schon während meiner früheren Tätigkeit hatte ich immer mit Menschen zu tun. Ich bin gelern­ter Versicherungskaufmann, war lange im Außendienst und auch mit der Führung von Mitarbeitern betraut. Als ich mich vor fünf­zehn Jahren umorientieren muss­te, überlegte ich: „Was kann ich, was liegt mir?“ Dabei kam mir die Idee, Partner zu vermitteln.

Sie vermitteln vor allem Menschen im „reiferen Alter“. Warum?

Der Charakter ist in diesem Alter ausgeprägt, man weiß, wo jemand her kommt, wie das Leben ver­laufen ist, wohin jemand möchte. Das sind gute Voraussetzungen, jemandem bei der Suche nach einem Partner, einer Partnerin erfolgreich zu helfen.

Was ist für Sie das Besondere an Ihrem Beruf?

Ich habe sehr viel mit Menschen zu tun, die etwas mitgemacht haben. 70% meiner Klienten sind verwitwet, andere wurden geschieden, getrennt. Wenn ich die Verwandlung eines Menschen mitbekomme, wie er durch eine neue Beziehung auflebt, das Le­ben wieder in vollen Zügen lebt, es spürbar ist, dass es der richtige Weg war, dann freue ich mich, dazu beigetragen zu haben.

Welche Voraussetzungen braucht es, um erfolgreich vermitteln zu können?

Als Erstes ist es für mich wichtig, die Wellenlänge des Kunden, der Kundin zu erfassen, zu erspüren und dann auch zu erfahren, wer jemand ist. Die Gespräche werden fast ausnahmslos bei den Kunden zuhause geführt, so dass ich von allen auch das persönliche Umfeld kenne, weiß, wie jemand wohnt und lebt. Oft ist es so, dass bei zweien die ähnlich wohnen, auch die Wellenlänge stimmt. Ich habe keine Mitarbeiter, kenne also mei­ne Kunden alle persönlich.

Ergeben sich die Themen auto­matisch aus den Gesprächen oder sprechen Sie sie selbst an?

Meistens erzählen die Menschen von sich aus und es wird klar, wa­rum sie einen Partner suchen, wie er sein soll, vor allen Dingen, wie er nicht sein sollte. Auch Hobbys und gewünschte Gemeinsamkei­ten werden angesprochen und alles, was den Menschen aus­macht.

Wo ich nachfrage, ist im Bereich der Religion.

Ist dies für Ihre Kunden ein wich­tiges Kriterium?

Bei den Älteren wichtiger als bei den Jüngeren. Für die 50-bis 60-Jährigen ist der Glaube nicht so entscheidend. Erwünscht ist da eher allgemein eine christliche Lebenseinstellung. Hingegen ist

es für viele Kunden jenseits der 60 oder 70 wichtig, dass jemand „das gleiche Gebetbuch“ hat.

Wie gehen Sie mit unausgespro­chenen Bedürfnissen Ihrer Kun­den um oder mit Wünschen, die Sie nicht erfüllen möchten?

Wenn ich merke, dass ein Mann eher jemanden fürs Putzen, Es­sen und fürs Bett sucht, mache ich klar, dass dies nicht dem ent­spricht, was ich vermittle. Meine Kundinnen wünschen sich eine Partnerschaft!

Welche Stichpunkte fallen Ihnen zum Thema Partnerschaft/Ehe ein?

Ich bin selber seit 35 Jahren ver­heiratet und habe drei Kinder. Für mich hat Partnerschaft mit Zusam­mengehörigkeit und Geborgenheit zu tun.

Gibt es Menschen, die Sie nicht vermitteln?

Man muss selbstverständlich darauf achten, dass das Niveau stimmt. Ich möchte keinen Alko­holiker in meiner Kartei haben, nicht jemanden, der nur Bett­geschichten sucht oder bei dem man denkt, da stimmt etwas nicht. Wenn z.B. jemand Mitte 60 ist und sucht eine Frau, mit der er Kinder haben will, … das ist nicht, was ich gerne vermitteln will, der soll selbst suchen.

Und wenn Ihnen jemand unsym­pathisch ist?

Also ich muss schon mit je­mandem selbst auch auf einer Wellenlänge sein, spüren, dass er mir selbst liegt. Wenn mir jemand unsympathisch ist, fehlt das ge­genseitige Vertrauen, ohne das ich nicht vermitteln kann. Denn, wenn jemand mir vertraut, muss ich ihm auch vertrauen können.

Was tun Sie, wenn das Vermitteln eines Menschen sich als schwierig herausstellt?

Ich halte die meisten meiner Kunden für vermittelbar. Es gelingt mir jedoch nicht immer sofort, den oder die Richtige zu vermitteln. Aber ich bleibe am Ball. Manchmal ist es auch eine Zeitfrage. In schwierigen Fällen kann das schon mal ein Jahr dau­ern, wofür der Kunde auch die Geduld aufbringen muss.

Unerstützen Sie Ihre Kunden in einer solchen Situation?

Ich bin als Gesprächspartner im­mer da, versuche, die Ungeduld zu nehmen, die Hoffnung zu geben, dass ich etwas Passendes finde. Aber ich bin schon so ehrlich, dass ich nicht jemanden aus dem Hut zaubere, nur damit sie oder er jemanden zum Kennenlernen hat. Man möchte sich gut aufgehoben fühlen, möchte jemanden kennen­lernen, der zu einem passt. Und je häufiger es nicht passt, desto frustrierter wird man.

Sie erwähnten vorhin, dass die meisten Ihrer Kunden etwas „hinter sich“ haben. Für wie wichtig halten Sie es, dass die Trauerarbeit abgeschlossen ist, damit eine nächste Partnerschaft gelingen kann?

Ich glaube, es wird sicher auch noch Trauerarbeit mit dem neuen Partner geleistet, der ja oft etwas Ähnliches erlebt hat. Bevor sich zwei kennen gelernt haben, richtet sich der Blick eher zurück: was habe ich verloren. Aber danach geht der Weg nach vorne. Es ent­steht ein neues Wir-Gefühl.

Ihre Kunden sind in einem Alter, in dem man auch mit Krankhei­ten rechnen muss. Wie gehen Sie damit um?

Wenn jemand sagt, ich bin krank, kläre ich bei demjenigen, dem ich diese Person vorschlage, schon ab, ob das in Ordnung ist oder nicht. Wenn jemand den Partner gerade verloren hat, ist die Angst da, das Erlebte noch einmal durchzumachen. Na­türlich möchte man schöne ge­meinsame Jahre vor sich haben. Aber Krankheit muss dabei nicht unbedingt hinderlich sein.

Wie treffen sich die Partner zum ersten Mal?

Ich rate dazu, dass sich zwei auf neutralem Boden treffen. Zuerst spreche ich mit der Frau und lasse den Mann anrufen. So hat niemand die Gastgeberrolle und man kann dabei Eigenheiten erkennen, z. B. ob jemand Trinkgeld gibt und wie viel. Das sind Sachen, die man zuhause nicht beobach­ten kann, die aber doch aussage­kräftig sind. Abgesehen davon möchte man ja nicht jedem sein Zuhause vorführen. Das muss erst mal wachsen. Und im Mittel­punkt sollte der Mensch an sich sein und nicht das Drumherum. Später kommt dieses sowieso automatisch dazu.

In welcher Weise hat das Ausü­ben dieses Berufs Sie persönlich beeinflusst?

Ich weiß meine eigene Partner­schaft mehr zu schätzen.

Und ich achte mehr auf die leisen Töne. Man kriegt mehr Finger­spitzengefühl, fragt sich, was würdest du selbst machen in dieser Situation. Es ist ja nicht einfach, sich in diesem Alter auf eine neue Partnerschaft einzulassen. Man muss erst wieder entdecken, zu welchem Gefühl man fähig ist.

Ich danke Ihnen für dieses Ge­spräch.


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