Der Rollator macht mobil

Gedanken zur Lebensqualität im Alter                                

Gabriele Neuhaus  

Ein moderner Rollator für den Stadtbummel

Ein moderner Rollator für den Stadtbummel

Wer behauptet, Altern mache glücklich, der meint entweder die „jungen Alten“ um die Sechzig oder er macht sich und den ande­ren etwas vor. Seien wir ehrlich: „Altern ist nichts für Feiglinge“ (Mae West); die Zipperlein stellen sich irgendwann unweigerlich ein. Bei dem einen streiken die Augen, beim andern versagt das Gehör. Und kommt ein mit diffusen Schmerzen an allen Gliedern Geplagter zum Arzt, so muss er sich nach langer, umständlicher, ergebnisloser Untersuchung sagen lassen: „Wie alt sind Sie noch? – Fünfundsiebzig? – Na, sehen Sie …“

Besonders unangenehm wird es, wenn die Beine nicht mehr wollen, wenn die Mobilität nachlässt. Man sitzt auf der Bank oder im Straßencafé und schaut wehmütig zu, wie das Leben an einem vorbeirauscht. Einmal wie­der rennen können – ach was, nur aufrecht gehen, ohne Stock, ohne Schwindel, kraftvoll und sicher ausschreiten! Nicht alles lässt sich mit dem Auto erledigen, Besuche, Treffen und Einkäufe werden nach der Länge der nötigen Fußwege geplant. Und wäre da nicht ein lieber Mensch, der einen beglei­tet und stützt, man bliebe oft zu Hause und traute sich nicht vor die Tür.

Man versucht, sich irgend­wie zu helfen. Großeltern hatten es schon immer etwas leichter, sie dürfen sich aufstützen und Kinderwagen schieben. Das freut nicht nur die Enkel, sondern auch die Großmutter (solange es nicht bergauf geht), gewinnt sie doch so an Sicherheit. Die fürsorgliche Tochter wundert sich vielleicht, wenn sie eine Absage erfährt, sobald sie den Einkaufswagen für die betagte Mutter schieben will. Das kann beim Einkauf zu Problemen führen, bis die Toch­ter begreift: Einkaufswagen ge­ben Halt, sie sind fast so gut wie Rollatoren.

Der Rollator. Anfangs ver­pönt, inzwischen aus dem Stra­ßenbild nicht mehr wegzuden­ken. Die schwedische Erfindung aus den späten siebziger Jahren wurde in Deutschland lange Zeit nicht ganz ernst genommen. Der Gehwagen wurde mit Spottna­men belegt und viele, die ihn eigentlich dringend brauchten, schämten sich, ihn in der Öffent­lichkeit zu benutzen. Man konnte ihn auf Krankenhausfluren und in Pflegeheimen entdecken, aber es hat einige Jahre gedauert, bis die ersten Mutigen sich mit einem Rollator auf die Straße wagten. Kostet es doch für manchen Se­nior schon Überwindung, einen Stock zu benutzen („So alt bin ich noch nicht!“) – wie viel mehr trifft das auf den Gebrauch eines Gehwagens zu. Und doch ist der Rollator für jeden, der Probleme mit dem Gehen hat – und das muss nicht unbedingt ein alter Mensch sein – eine große Hilfe. Er entlas­tet beim Aufstützen Becken und Hüfte, gibt Halt und Sicherheit und bietet für den Notfall sogar eine Sitzgelegenheit. Vielen Geh­behinderten schenkt er ein Stück Mobilität und damit das Gefühl von mehr Freiheit und Unabhän­gigkeit. Neue Möglichkeiten tun sich auf, die Lebensqualität wird spürbar besser.

Rollatoren gehören immer mehr zum Straßenbild. Achtete man früher noch auf den Men­schen, der es offenbar nötig hatte, sich an „so ein Ding“ zu klammern, so gilt heute die Aufmerksamkeit schon mal dem Ding selbst, dem Rollator. Das hat Gründe: Ergo­nomisch geformt und wahlweise ausgestattet mit reichem Zubehör, Transportkorb, Netz oder Tasche, Tablett, Schirm oder Klemme für den Gehstock, mit Rücklicht, mit höhenverstellbarem Sitz und höhenverstellbaren Griffen, mit Sicherheitsbremse, zusammen­klappbar und extra leicht – ent­wickelt sich der Rollator immer mehr zu einem schicken kleinen technischen Wunderwerk.

Bei der heutigen demografi­schen Entwicklung kann es nicht mehr lange dauern, bis ein Rolla­tor zum Prestigeobjekt wird. Die Schweden machen es uns vor. Es gibt bereits für’s Joggen und Wan­dern den Fitness Walker (Rollator = amerikanisch: walker), für den Einkauf den City Walker, für die anspruchsvolle Bergwanderung den Mountain Walker, den genia­len Golf Walker und nicht zuletzt das „Veloped Jakt“ (schwedisch), den idealen Jagdwagen für Geh­behinderte in unwegsamem Ge­lände. Preislich bewegen sie sich alle mehr oder weniger knapp unter der Tausend-Euro-Grenze. Selbstverständlich ist so ein „Ve­loped“ nicht mehr zu vergleichen mit Tante Mias Kassenmodell. Es käme ja auch niemand auf die Idee, einen VW-Polo mit einem Porsche zu vergleichen.

Bei überzeugten Rollator-Fans entwickelt sich immer mehr der Trend zum Zweitrollator. Outdoor und Indoor heißt die Devise. Der Rollator für draußen ist aus Metall, möglichst robust und praktisch mit all seinem Zu­behör – der für die Wohnung ist schmal und handlich, vor allem aber schön, aus Holz, passend zur Wohnungseinrichtung. Vielleicht gibt es auch schon jemanden, der drei oder mehr Rollatoren besitzt, einen für die Wohnung, einen für den Einkauf, einen für den Sport … Der Markt ist im Kommen.

Dazu ein Vorschlag von uns: Wie wäre es mit einem Rollator für den Gartenbesitzer (Garden Walker)? Dreieckiges Gestell aus grünem Aluminiumrohr mit soli­der Feststellbremse, gepolsterter Kniehilfe und Sitzgelegenheit? Wichtig wären Klemmen für Gar­tengeräte und ein Riesenkorb für den Grünabfall. Auf zusätzliche Beleuchtung und teure Luftbe­reifung könnte man evtl. verzich­ten. Der Rollator: das Fortbewe­gungsmittel der Zukunft? – Ein Gedanke, über den sich lohnt zu diskutieren.

//-->