Eli Marcus

Der Jude, der am liebsten Plattdeutsch sprach

Eli Marcus als "Natzohme" im Theaterstück "Mester Tüntelpott"

Eli Marcus als "Natzohme" im Theaterstück "Mester Tüntelpott"

 

Aiga Kraß

In zwei Ausgaben der MSZ 2011 wurden als plattdeut­scher Beitrag Gedichte von Eli Marcus ausgewählt. Es sind Gedichte, die geprägt sind von Heimatliebe, Naturverbunden­heit und Menschlichkeit.

Ältere Münsteraner erinnern sich an Erzählungen ihrer Eltern, die von vielen heiteren und nachdenk­lichen Stunden im geselligen Kreis berichten, die Eli Marcus ihnen bereitet hat. In einer Zeit ohne Radio und Fernsehen wurde abends in den Familien vorgelesen. Da kam Eli Mar­cus zu Wort. Die mundartliche plattdeutsche Sprache seiner Geschichten und Gedichte war damals jedermann geläufig bis in die Kaufmannsstuben des Prinzi­palmarktes. Besonders geschätzt wurden seine Theaterstücke, die im gesamten Münsterland für Freude und Geselligkeit sorgten. Die Laienspieler waren meist Männer, die auch Frauenrollen übernahmen und dadurch zur Erheiterung beitrugen.

Warum wurde Eli Marcus von seiner Vaterstadt Münster weitgehend vergessen? Er war Jude. Mit Aufkommen der NS-Ideologie wurden der Mensch Eli Marcus und sein Werk syste­matisch aus dem Bewusstsein der Bevölkerung getilgt.

Elias Marcus wurde am 26. Januar 1854 in Münster geboren. Sein Vater betrieb einen Leder­handel, aus dem 1875 das Schuh­geschäft Marcus hervorging. Der Sohn Elias besuchte die Grund- und Realschule in Münster, ver­lebte drei Jahre in einem jüdischen Internat in Thüringen, schloss eine kaufmännische Lehre in Bochum ab und übernahm nach dem Tod des Vaters 1890 gemeinsam mit seinem Bruder Julius das väterli­che Schuhgeschäft. Seine Liebe aber galt der plattdeutschen Sprache, die er umsetzte in Kurz­geschichten, Theaterstücken und Gedichten. Er wurde engagiertes Mitglied der von Professor Lan­dois gegründeten „Zoologischen Abendgesellschaft“, die platt­deutsches Theater spielte und das gesellige Leben in Münster um Umgebung um die Jahrhundert­wende maßgeblich prägte. Marcus war Allein- und Mitverfasser zahl­reicher Theaterstücke, Einakter und kurzweiliger Schilderungen des alltäglichen Lebens. Seine Paraderolle war der „Natzohme“ in seinem Stück „Mester Tüntel­pott“.

Von dem Bekanntheitsgrad seiner Werke, ihrer Beliebtheit und Verbreitung zeugen Zei­tungsartikel über fortwährende Aufführungen seiner Volksstü­cke in westfälischen Vereinen zu Anlässen verschiedener Art sowie Notizen über plattdeutsche Abende, bei denen Eli Marcus ein­geladen war und als „vorzüglicher Interpret“ seiner Werke geschätzt wurde. Nach der Jahrhundert­wende wandte Marcus sich der Lyrik zu, ohne jedoch die Thea­terarbeit völlig aufzugeben. Nach heutigem Maßstab und Verständ­nis wirken seine Bühnenstücke oft überholt, aber seine Lyrik ist in ihrer Menschlichkeit an keinen Zeitgeschmack gebunden.

Nachdem sein Sohn Ernst (Unteroffizier, Ritter des Eisernen Kreuzes 1. Klasse) im ersten Welt­krieg gefallen war, gab Marcus das Schuhgeschäft auf und betrieb einen An- und Verkauf wertvoller Antiquitäten und neuer Kunst, war aber weiterhin schriftstelle­risch tätig. Ein großer Teil seiner Werke, die in der Zoologischen Abendgesellschaft archiviert waren, gingen im 2. Weltkrieg verloren. Doch die erhaltenen Gedichte spiegeln den Menschen Eli Marcus wider in zarten und heiteren Liebesgedichten und tief empfundener Stimmungslyrik.

Als der Nationalsozialismus an Boden gewann, wurde es still um Eli Marcus. Sein letztes Rundfunkinterview gab er 1933 im Alter von 79 Jahren. Seine Schriften wurden verboten. Sein 80. Geburtstag 1934 wurde von der Tagespresse mit keiner Silbe erwähnt, auch der Todestag am 13. September 1935 des vor kurzer Zeit noch so beliebten und verehrten Dichters blieb unerwähnt.

Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Müns­ter. Zu seinem 80. Geburtstag schrieb seine in den USA lebende Tochter: „Er ist verliebt in seine türme- und giebelreiche Heimat­stadt und in das bäuerliche Müns­terland mit seinen Wallhecken und seinen endlos hingebreiteten Äckern und Wiesen.“

Kategorie: Archiv, Lokales

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