Stellungnahme zum Antrag „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“ der Fraktion der CDU/CSU


Die CDU/CSU fordert, den Kauf sexueller Dienstleistungen verbieten zu lassen. Angeblich sollen dabei nur die Kund*innen, jedoch nicht die Sexarbeitenden kriminalisiert werden. Zudem sollen Beratungsstellen nur noch zu Prävention und Ausstieg beraten und auch die Sexualassistenz in der Behindertenhilfe soll nicht mehr legal möglich sein, sondern sich höchstens auf Beratungen reduzieren. Was an diesen Forderungen schwierig ist, erläutern wir in folgender Stellungnahme:

Zur unklaren Faktenlage

Im Antrag der CDU/CSU werden bestimmte Expertisen und Fakten hinzugezogen, die jedoch oftmals valide Begründungen oder Quellenangaben vermissen lassen; etwa zur geschätzten Anzahl an Sexarbeitenden oder zu den Themen Freiwilligkeit, Zwang und Gewalt, womit sich eine gewisse Polemik aufdrängt und ein Bedarf an Einordnung entsteht.

Beispielsweise wird das derzeit geltende Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchutzG, eingeführt in 2017) von der CDU/CSU als gescheitert bezeichnet: Statt zu einer Verbesserung der Lebenssituationen von Betreffenden habe es eher zu einer unkontrollierten Ausbreitung des Menschenhandels beigetragen. Dabei wird sich u.a. auf einen Report aus 2020[1] gestützt, der im Antrag fälschlicherweise Evaluation genannt wird, jedoch lediglich einen Zwischenbericht darstellt, in dem vor allem statistische Daten (z.B. zu den offiziellen Anmeldungen) geliefert werden. Dieser weist zudem einige Lücken auf, u.a. weil er sich nur auf die Jahre 2017 und 2018 bezieht[2], womit er sich weder als Begründung für eine Gesetzesänderung noch für die These eignet, die aktuelle Regelung befördere Menschenhandel und verbessere die Situation der Betreffenden nicht. Dem hingegen wird aktuell eine vom BMFSFJ in Auftrag gegebene umfangreiche Evaluation[3] vom kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen durchgeführt, deren Ergebnisse im Sommer 2025 erwartet werden. In dieser bisher größten Untersuchung Europas zum Thema, stehen die Erfahrungen aller vom ProstSchutzG betroffenen Gruppen im Mittelpunkt, sodass derzeit z.B. zahlreiche Fragebögen von Sexarbeitenden beantwortet werden; auch von denen in der vergleichsweisen prekären Straßenprostitution. Das ist besonders erfreulich, da oftmals diverse Mythen und viele andere Persönlichkeiten den Diskurs dominieren. Dabei dürfte die schwache Datenlage bekannt sein: Nach wie vor ist z.B. unklar, wie viele Menschen selbstbestimmt der Sexarbeit nachgehen; wie viele ausgebeutet werden ebenso. Da also die Grundgesamtheit unbekannt ist, kann folglich nicht über „die Mehrheit“ gesprochen werden. Allenfalls sind dies Mutmaßungen; und zwar in beiderlei Hinsicht.

Auch der von der CDU/CSU aufgeworfenen These, Sexarbeit führe zu Traumatisierungen und irreversiblen Schäden, fehlt es an einer Einordnung, obwohl sie höchstwahrscheinlich auf Veröffentlichungen von Melissa Farley beruht, selbst Befürworterin des „Sexkaufverbots“, deren Untersuchungen jedoch aufgrund unsauberer Forschungsmethoden bereits vielfach in Zweifel gezogen wurden[4]; genauso wie eine im Antrag erwähnte „Freierstudie“[5]. Im Antrag steht weiter, dass die Mehrheit an Sexarbeitenden täglich Gewalterfahrungen macht. Auch das muss hinterfragt werden, denn Gewalt variiert in der Branche stark und ist nicht zwangsläufig höher als in der Allgemeinbevölkerung[6]. Damit stellt geschlechtsspezifische Gewalt vielmehr eine gesellschaftliche Thematik dar und ist eben nicht nur spezifisch für sexuelle Arbeit. Gleichwohl gehören Sexarbeitende oftmals genau den marginalisierten Gruppen an, die auch ohne den Hintergrund der Sexarbeit einem höheren Risiko an Gewalt unterliegen (Migrant*innen, Frauen, Transpersonen etc.). Die Definition von Sexarbeit als reine Gewaltproblematik reduziert Betreffende jedoch auf eine generelle Opferrolle, was wiederum Erfahrungen tatsächlicher Gewaltopfer verharmlosen kann.

Und auch die zentrale Forderung der CDU/CSU, das sog. Sexkaufverbot n. nordischem Modell, sollte angesichts des dazu vorliegenden Kenntnisstands eingeordnet werden. Ein Blick auf andere Länder, in denen die Verbotslösung bereits eingeführt wurde, zeigt auch hier eine uneindeutige, bisweilen widersprüchliche Datenlage, die schwer einzuordnen ist, da nicht immer Informationen zur Lage vor der Gesetzesänderung vorliegen, wie z.B. in Schweden. Während Befürwortende Erfolge sehen[7], weist eine Studie aus Nordirland anhand von Vergleichsdaten auf eine Zunahme von Sexarbeit hin[8] und in Frankreich wird trotz Einführung des Verbots von einer Zunahme sich prostituierender Minderjähriger und steigender Zwangsprostitution berichtet[9]. Selbst für das vermutlich wichtigste Anliegen des Modells, der Bekämpfung des Menschenhandels, gibt es demnach keine belastbaren Belege, sondern eher gegenteilige Indizien.

Vermischung von (Armuts-)Prostitution und Menschenhandel

Sexarbeit wird im Antrag der CDU/CSU als zutiefst menschen- und frauenverachtend beschrieben, oft gleichgesetzt mit Vergewaltigung und Armutsprostitution, die nicht selten mit Menschendhandel einherginge. Allerdings wird hier nicht ausreichend differenziert: Wer die Tätigkeit als Vergewaltigung wahrnimmt, ist Opfer sexueller Gewalt, nicht aber Teil einer qua Definition konsensuellen Dienstleistung. Auch gilt: wer gegen seinen Willen sex. Dienste erbringen muss, befindet sich in sexueller Zwangsarbeit, ist also Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, was einen im StGB geregelten Straftatbestand darstellt und immer mit Dritten einhergeht, die Betreffende zur Tätigkeit zwingen. Dies darf nicht mit Sexarbeit vermischt werden – auch und gerade dann nicht, wenn beides miteinander in Verbindung steht. So fordern es u.a. auch Organisationen, die explizit mit Opfern von Menschenhandel arbeiten[10]. Hier nicht zu differenzieren, ist also nicht nur rein definitorisch falsch, es ist auch gefährlich, weil damit einerseits legale Tätigkeiten kriminalisiert und andererseits kriminelle Handlungen verschleiert werden.

Ferner kann auch die im Antrag als unfreiwillig definierte „Armutsprostitution“ sehr wohl eine bewusste Entscheidung darstellen, wenn sie auch unter gewissen Umständen getroffen wird. In der Praxis zeigt sich, dass viele Betreffende prekäre Lebensverhältnisse sowie biografisch- und sozialisationsbedingte Alternativlosigkeiten vorfinden, welche die Wahl einer anderen Tätigkeit einschränken können. Trotz dieser (wirtschaftlichen) Notlagen kann nicht pauschal von Unfreiwilligkeit (und damit von Menschenhandel) gesprochen werden. Oftmals werden z.B. andere Arbeitsangebote wie Reinigungstätigkeiten abgelehnt (im Übrigen kommt es gerade hier zur Arbeitsausbeutung[11]), so wie sich auch mit der Entscheidung für die Sexarbeit gleichzeitig z.B. gegen eine Existenz sichernde Ehe, das Betteln auf der Straße oder kriminelle Handlungen entschieden wird. Verstanden wird diese Arbeit also häufig als ein Weg von vielen, innerhalb marktwirtschaftlicher Bedingungen monetäre Mittel zu generieren und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu sichern, denn letztlich dient Arbeit eben nicht allen der Selbstverwirklichung.

Kritik am „Nordischen Modell“

Das von der CDU/CSU geforderte „Sexkaufverbot“ soll auf Präventions- und Ausstiegsangeboten, der Strafbarkeit für den Kauf sexueller Dienste bei gleichzeitiger Straffreiheit für Sexarbeitende sowie der Stärkung der Durchsetzungsautorität der Verwaltungs- und Vollzugsorgane basieren. Ganz abgesehen von der Frage, ob dies zum gewünschten Ziel beiträgt, zeigen sich nicht intendierte Folgen für Sexarbeitende in Ländern mit Verbotslösung. Z.B. fällt für viele der gegenseitige Schutz durch die Anmietung gemeinsamer Räumlichkeiten weg, da Dritte nicht von den Einnahmen profitieren dürfen und sich Vermietende so der Zuhälterei strafbar machen würden; auch bei Privatwohnungen, weshalb viele in die Wohnungslosigkeit gerieten[12]. Werden dann, wie auch von der CDU/CSU gefordert, zusätzlich Prostitutionsstätten geschlossen, die in Deutschland derzeit spezifischen Regelungen unterliegen, fällt auch dieser sichere Arbeitsort weg. Ähnliches konnten wir bereits während des pandemiebedingten Berufsverbots feststellen: Sexarbeit hat auch unter diesem nicht aufgehört, sondern wurde vielmehr an isolierte, schwer erreichbare und unkontrollierbare Orte verdrängt. Während es dort an Sicherheitsvorkehrungen mangelt und der Zugang zu Angeboten des gesundheitlichen und sozialen Sektors oder der Polizei erschwert wird[13], erhöht sich gleichzeitig das Risiko für Menschenhandel. Weiter fällt durch die Kundenkriminalisierung das Screening dieser verkürzt und im Verborgenen statt. Damit haben maximal Kund*innen und mögliche Zuhälter an Macht gewonnen, nicht aber Sexarbeitende. Dies kann wiederum mit einem Anstieg an sexuell übertragbaren Erkrankungen und Gewalttaten einhergehen. Studien aus Nordirland weisen z.B. auf eine Zunahme an Belästigungen und Bedrohungen von Sexarbeitenden hin[14]. Angesichts des Verbots und befürchteter Repressionen bleibt indes fraglich, ob derlei Straftaten umfänglich angezeigt werden, zumal hier bereits jetzt große Hürden bestehen. Und letztlich bleibt die Frage, ob die Kunden, die sich von einem Verbot nicht abschrecken lassen, gleichsam auch zu anderen Straftaten bereit sind. Der angebliche Schutz der Betreffenden, kann damit zu ihrem größten Problem führen. Solche und andere Folgen müssen auch bei der Forderung nach dem „Sexkaufverbot“ in Deutschland mitgedacht werden, bleiben jedoch im Antrag unerwähnt; genauso wie Überlegungen zu trans und männlichen Sexarbeitenden oder zu weiblichen Kundinnen.

Abschließende (verfassungsrechtliche) Bedenken und Vorschläge

Letztlich bleiben viele der im Antrag formulierten Schlussfolgerungen zweifelhaft, insb. wenn nur ausgesuchte Perspektiven berücksichtigt werden. Akteur*innen, die sich explizit Ausstiegsprogrammen widmen oder Sexarbeit per se als Gewaltproblematik definieren, sehen nur einen Ausschnitt aus der Realität. Diesen mit dem Gesamtphänomen zu verknüpfen und scheinbare Gewissheiten zu formulieren, verkennt die Komplexität des Feldes und verzerrt die gesellschaftlichen und politischen Wahrnehmungen auf irreführende Weise. Angesichts der hier kritisierten Hintergründe sprechen sich nicht nur Forschende, sondern auch Organisationen wie Amnesty International, die Aidshilfe, das UN-Menschenrechtsbüro, die Diakonie oder das dt. Institut für Menschenrechte gegen ein „Sexkaufverbot“ aus. Auch die meisten Beratungsstellen, die eine Variationsbreite an Sexarbeitsformen und Lebensrealitäten sehen, warnen vor den Folgen. Indes will die CDU/CSU nur noch Ausstiegsprogramme fördern, die als Unterstützung zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben bezeichnet werden. Was aber, wenn Betreffende erstens gar nicht mehr erreicht werden und zweitens, wenn das erklärte Ziel des Ausstiegs nicht der Selbstbestimmung der Betreffenden entspricht? Nicht zuletzt existieren eine verfassungsrechtliche Berufsfreiheit sowie das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung; abgeleitet aus der Würde des Menschen n. Art 1 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht n. Art 22 GG. Der angebliche Schutz der Betreffenden darf nicht zur Verletzung dieser Grundrechte führen. Angesichts der paternalistischen Forderungen beträfe dies im Übrigen nicht nur Sexarbeitende, sondern auch Menschen mit Behinderungen. So soll die Sexualassistenz in der Behindertenhilfe von der Strafbarkeit ausgenommen bleiben, solange es dort um Beratungen und nicht um die Vermittlung oder Ausübung sexueller Dienstleistungen geht; ein diskriminierender Rückschritt in den Rechten behinderter Menschen.

Gleichwohl ist es begrüßenswert, sich den Themen Menschenhandel und Prostitution intensiver zu widmen. So ist z.B. auch das ProstSchutzG nicht frei von Kritik[15]. Gleichsam liegt tatsächlich oft kein Sozial- und Krankenversicherungsschutz vor und es herrscht ein Mangel an sicherem Wohnraum für Sexarbeitende. Auch soll nicht ignoriert werden, dass traumatische Erlebnisse sowie psychische und körperliche Erkrankungen in Verbindung zur Sexarbeit stehen können; genauso wie Zwangsprostitution. Dem Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. zufolge, liegen die Herausforderungen bei der Strafverfolgung im Bereich des Menschenhandels jedoch vor allem in den ausbaufähigen Opferrechten. So müssen Betroffene von Menschenhandel zweifelsohne durch umfassende Rechte, geeigneten Wohnraum oder flächendeckende Beratungsangebote besser geschützt und gleichsam die Lebens- und Arbeitssituationen von Sexarbeitenden z.B. durch einen Bürokratieabbau, eine bessere „Migrationspolitik“ und Armutsprävention, den Abbau des Stigmas oder auch bessere Umstiegsangebote optimiert werden. Letztlich stellt es also keinen Widerspruch dar, gleichzeitig für die Rechte von Sexarbeitenden und gegen Menschenhandel zu sein.

Der Vorstoß der CDU/CSU kommt jedoch zum einen verfrüht: Der erwartete Erkenntnisgewinn durch die laufende Evaluation kann eine valide, evidenzbasierte Grundlage für weiteres Vorgehen bieten, sodass es wenig zielführend ist, bereits jetzt eine Gesetzesänderung anzustreben anstatt aktuelle Regelungen zunächst grundlegend zu überprüfen. Zum anderen muss das Schaffen von vermeintlichen Fakten und Verallgemeinerungen kritisiert und das „Sexkaufverbot“ als geeignete Maßnahme infrage gestellt werden. All dies scheint der Sachdebatte wenig dienlich und ist damit nicht im Sinne der Betreffenden: Sexarbeiter*innen sowie Betroffene von Menschenhandel.


[1] Zwischenbericht ProstSchutzG; BMFSFJ; 2020: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/156998/bfc0e8295e1bcc04b08159e32e95281f/zwischenbericht-zum-prostituiertenschutzgesetz-data.pdf

[2] Stellungname Zwischenbericht, Verein für politische und soziale Rechte von Prostituierten „Doña Carmen e.V.“; 2021: https://www.donacarmen.de/wp-content/uploads/01-ZWISCHENBERICHT-PROSTSCHG-TEIL-1.pdf

[3] Informationen zur Evaluation: https://kfn.de/forschungsprojekte/evaluation-des-prostituiertenschutzgesetzes-prostschg/

[4] Walentowitz; 2019: https://www.donacarmen.de/wp-content/uploads/SIND-PROSTITUIERTE-TRAUMATISIERT-FRAGEZEICHEN-1.pdf

[5] Kritik zur „Freierstudie“; 2024: https://www.berufsverband-sexarbeit.de/wp-content/uploads/2024/03/ALTERNATIVE-FAKTEN_Freierstudie_Farley.pdf

[6] Büttner et al.; 2021: https://www.melanie-buettner.de/wp-content/uploads/2022/09/Sexarbeit-und-psychische-Gesundheit-Buettner-Gleixner-Tschoeke-2021.pdf

[7] Rasmussen et al.; 2014: Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester. Statens Offentliga Utredningar (2010): Förbud mot köp av sexuell tjänst En utvärdering 1999–2008.

[8] Early et al (2019): Review of the criminalization of paying for sexual services in Northern Ireland, Queen’s University

[9] https://www.info.gouv.fr/acutalite/premier-plan-national-contre-la-prostitution-des-mineurs

[10] Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (2017): https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/fileadmin/user_upload/medien/Publikationen_KOK/KOK_Broschuere_Sexuelle_Ausbeutung.pdf oder das Bündnis aus Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt (2024): https://tauwetter.de/images/phocadownload/pdf/2024/2024%2004%20Pressemitteilung%20Sexarbeit%20Fachberatungsstellen.pdf

[11] Böhme/René: Arbeitsausbeutung im Reinigungsgewerbe (2024): https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008862

[12] Smith&Mac: Revolting Prostitutes

[13] Platt et al. (2018): Associations between sexwork laws and sexworkers’ health: A systematic review and meta-analysis of quantitative and qualitative studies

[14] s. Fn 8

[15] Kritik vom dt. Juristinnenbund: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/119046/ddf19e3b3b0256fb01cc02f6e15c12f3/djb-data.pdf


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.