Geschichte

in Lublin

Lublin - Stadt der Studenten


Lublin liegt auf der Hochebene Wyzyna Lubelska, auf mehreren Hügeln im Tal des Flusses Bystrzyca. Die Stadt ist die größte polnische Stadt östlich der Weichsel und gehört zu den zehn größten Städten Polens. Sie ist zugleich Hauptstadt der zwischen den Flüssen Weichsel und Bug liegenden Wojwodschaft. Bis zur ukrainischen Grenze sind es weniger als 100 km, bis Warschau 170 km und bis zur deutschen Grenze 670 km.


Lublin ist eine der ältesten Städte Polens. Nach archäologischen Funden entwickelten sich schon im 6. Jahrhundert in dieser Gegend erste frühmittelalterliche Siedlungen auf dem Hügel Czwartek. Bald nach Annahme des Christentums durch die Polen im Jahre 966 wurde auf dem Hügel Ende des 10. Jahrhunderts die St. Nikolai-Kirche gebaut. Im 11. Jahrhundert existierte auf dem heutigen Burghügel eine hölzerne Wehrburg. Der Name der Stadt erscheint in schriftlichen Urkunden im 12. Jahrhundert.


Aufgrund seiner besonderen geographischen Lage mußte Lublin in der Geschichte unter vielen Grenzkonflikten leiden: Im 13. Jahrhundert drangen in das Gebiet unterschiedliche Stämme und Völker ein, u.a. Litauer, Russen, Tataren und Jatwinger. Stadtrechte gemäß dem Magdeburger Recht bekam Lublin 1317 von dem damaligen polnischen König Wladyslaw Lokietek. Die Lage im Schnittpunkt von wichtigen Handelswegen begünstigte den wirtschaftlichen Aufschwung von Lublin. Zu der weiteren Entwicklung der Stadt trug die polnisch-litauische Union von 1385 bei. Der polnische König Wladyslaw Jagiello machte Lublin zu einem der königlichen Hauptzentren. Lublin bekam neue königliche Privilegien und wurde zu einem großen Handelszentrum, in dem Handwerk und Handel blühten. Fast aus ganz Europa, aus östlichen Ländern und sogar aus Asien strömten Kaufleute auf berühmt gewordene Jahrmärkte zu. Es entstanden viele neue Siedlungen außerhalb der Stadtmauer, und es wurden neue Kirchen, Klöster und Häuser im gotischen Stil gebaut. Die friedlich nebeneinander lebenden Völker hinterließen ein reiches Kulturerbe, das heute als Symbol der Koexistenz verschiedener Nationalitäten und Konfessionen anzusehen ist. Im 16. Jahrhundert entstand um die Burg herum ein großes jüdisches Viertel.


Die Stadt wurde allmählich zu einem Kultur- und Wissenschaftszentrum, das von den Polen und Juden, von den Katholiken und den Anhängern des Kalvinismus geprägt wurde. 1568 wurde in Lublin die jüdische Lehrstätte gegründet, die zugleich die erste Talmud-Schule in Polen war. Im 16. und 17. Jahrhundert war Lublin das Gebiet einer aktiven Reformations- und Gegenreformationstätigkeit. Zu dieser Zeit entstand die Jesuitenkirche mit dem Jesuitenkloster und den Kollegiumsgebäuden. Nach Auflösung des Jesuitenordens wurde diese Kirche zum Dom, der heute Sitz des Lubliner Erzbistums ist.


Das 16. und 17. Jahrhundert hinterließen auch ihre Spuren in der Architektur der Stadt. Viele Gebäude wurden im Stil der charakteristischen "Lubliner Renaissance" umgebaut. Es entstanden weitere Kirchen und Bürgerhäuser. Die Lubliner Burg wurde auch im Renaissancestil umgebaut.


Seit der polnische König Kazimierz Jagiellonczyk die Stadt zum Sitz einer neuen Wojwodschaft nannte (1474), fanden in Lublin Versammlungen des polnischen Adels statt. Auf diese Weise gewann die Stadt an politischer Bedeutung. 1569 wurde hier die zweite polnisch-litauische Union geschlossen, die bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts die Grundlage für die Koexistenz beider Länder in einem Staat bildete. Seit 1578 wirkte in Lublin das Krontribunal, der oberste Appellationsgerichtshof für den Adel der ganzen Provinz Kleinpolen (Malopolska). Infolge der im 17. Jahrhundert durch das Königreich Polen geführten Kriege gegen die Schweden und die Kosaken kam es in der Stadt zu zahlreichen Zerstörungen. Die Bevölkerungszahl sank durch Seuchen und Kriege. Viele Sehenswürdigkeiten verbrannten. Die ehemaligen Handelswege verloren ihre Bedeutung, das politische Leben fand in Warschau statt. Während der drei Teilungen Polens unter Preußen, Rußland und Österreich fiel Lublin unter russische Verwaltung. Erst die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und der Anfang des 19. Jahrhunderts brachten Veränderungen, die den Wiederaufbau der Stadt beeinflußten. Der wirtschaftliche Umbruch und die Industrialisierung förderten die Urbanisierung der Stadt. Die Fläche Lublins verbreitete sich weit außerhalb der Stadtmauern. Eine besondere Bedeutung hatte die Eröffnung der Eisenbahnverbindungen nach Warschau und Kowel (in der heutigen Ukraine). Zweimal in seiner Geschichte war Lublin Hauptstadt Polens. 1918 erlangte Polen nach 123 Jahren Teilung seine Freiheit wieder. Die erste freie Regierung mit Ignacy Daszynski hatte ihren Sitz in Lublin. Zum zweiten Mal erfüllte Lublin diese Funktion 164 Tage lang im Jahre 1944, nachdem der Südosten Polens von den Nazis befreit worden war.


Das 20. Jahrhundert brachte eine weitere Entwicklung. Lublin wuchs und änderte sein Aussehen. 1918 wurde die älteste der Lubliner Hochschulen, die Katholische Universität Lublin (KUL) ins Leben gerufen. Bis zum 2. Weltkrieg war in Lublin die Rabbinische Hochschule tätig. Der 2. Weltkrieg bildet den tragischsten Teil der Geschichte der Stadt. In einem der Stadtteile Lublins, Majdanek, errichteten die Nazis 1941/42 ein Konzentrationslager, in dem über 360.000 Menschen aus 26 Nationen ihr Leben verloren haben. Auch die Lubliner Burg diente während dieser Zeit als Gefängnis. Nach dem Krieg wurde Majdanek zum Symbol der entsetzlichen Erfahrungen der Menschheitsgeschichte und Mahnung für zukünftige Generationen. Die Burg selbst diente den Kommunisten nach dem Krieg weiterhin als Gefängnis.


In der Nachkriegszeit kommt es zu einer schnellen Entwicklung der Stadt. Lublin gewinnt neue Gebiete. Die Einwohnerzahl steigt. Dazu trug der schnelle Ausbau der Industrie in Lublin bei. Es entstanden viel neue Unternehmen, u.a. im Jahre 1950 wurde in Lublin eine der größten Automobilfabriken in Polen gegründet.


Auch die Wissenschaft und Kultur folgten der Entwicklung der Stadt. Nach dem Krieg entstanden in Lublin weitere Hochschulen: die staatliche Maria-Sklodowska-Curie-Universität, weiter die Medizinische Akademie, die Technische Hochschule und die Landwirtschaftliche Akademie. Heute prägen Vergangenheit und Gegenwart das einzigartige Klima der Stadt. Allen geschichtlichen Wirbelstürmen zum Trotz ist Lublin ein bedeutendes Kultur- und Wissenschaftszentrum geblieben. Die Besucher werden mit der reichen Vergangenheit der Stadt konfrontiert. Jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen, vor allem die Lubliner Altstadt ist dafür ein hervorragendes Zeugnis: Die verwinkelten Straßen und Gassen der Altstadt haben ihren mittelalterlichen Charme bewahrt. Sie bilden eine einzigartige geheimnisvolle Atmosphäre. Der Altstadthügel ist über eine Brücke mit der Burg verbunden. Die Burg trägt auch viele Zeichen der wechselvollen Geschichte. Das älteste bis heute erhaltene Baudenkmal in Lublin ist der im romanischen Stil errichtete runde Verteidigungsturm. Die Dreifaltigkeitskapelle mit ihren russisch-byzantinischen Fresken wurde im gotischen Stil gebaut und gilt heute als einmaliges Symbol der Verbindung östlicher und westlicher Kultur. Aufgrund der Kriege und Brände sind leider keine Renaissancespuren erhalten geblieben. Das heutige Aussehen verdankt die Burg den Umbauarbeiten im 19. Jahrhundert zum Gefängnis.


Seit 1954 ist die Burg ein Museum, in dem man der vielfältigen Geschichte der Stadt und der Region begegnen kann. Die Schönheit der Bürgerhäuser am Markt erinnert an die Renaissanceepoche. Das Alte Rathaus - der ehemalige Sitz des Krontribunals - verdankt seine klassizistische Architektur dem im 17. und 18. Jahrhundert erfolgten Ausbau des Gebäudes. Von der Stadtmauer ist nur das Krakauer Tor mit der Wehrbastei erhalten geblieben. Das Inneres des Doms ist im Barock ausgestaltet. Großem Interesse erfreut sich die Schatzkammer mit der illusionistischen Gewölbemalerei und die akustische Kapelle. Fast in unveränderter Form ist die Dominikanerkirche erhalten, in der die Lubliner Union 1569 unterzeichnet wurde. In der Kirche befinden sich auch Reliquien des Heiligen Kreuzes. Von der reichen jüdischen Kultur ist heute kaum noch eine Spur zu finden. Das jüdische Viertel wurde während des II. Weltkriegs völlig zerstört. Unter zahlreichen Erinnerungen an die Anwesenheit der Juden in Lublin befindet sich der alte jüdische Friedhof mit einigen übriggebliebenen Grabmälern und die alte Synagoge. Das Gebäude der Rabbinischen Schule dient heute der Medizinischen Akademie. Bis heute sind die Evangelische und die Orthodoxe Kirche tätig und stehen den Gläubigen zur Verfügung. Das gegenwärtige Lublin blickt in die Zukunft. Seit der Wende 1989 haben viele Firmen und Banken ihre Niederlassungen hier. Angesichts des freien Handels und der offenen Grenzen kann die alte Tradition wiederhergestellt werden, weil Lublin durch seine Lage an Handelswegen von Westen nach Osten als wichtiges Handelszentrum in diesem Teil Europas galt. Lublin will seinen besonderen Charakter einer Brücke zwischen Ost und West und das in politischer, religiöser und kultureller Hinsicht bewahren.


Text von Jola Vogelberg