Hände weg von Afrin! Keine Waffenexporte in die Türkei!

20.01.2018

Türkei droht mit Angriff auf Afrin
Die türkische Regierung hat angekündigt, in die Provinz Afrin in Syrien einzumarschieren. Die Frankfurter Rundschau schrieb am 15.1.2018: „In Syrien wächst die Gefahr, dass ein neuer Waffengang inmitten des noch immer laufenden Bürgerkriegs beginnt. Am Montag sagte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, dass sein Land „jederzeit“ seine seit Tagen angekündigte Intervention in den nordsyrischen Regionen Afrin und Manbidsch starten könne.“

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heise.de: Türkei zieht in den Krieg gegen die von den USA unterstützten syrischen Kurden

Damit drohen militärische Auseinandersetzungen jetzt auch in einer syrischen Provinz, die bislang von dem Krieg verschont war. Afrin ist einer der Kantone der im Norden Syriens gebildeten Selbstverwaltungsregion, „Rojava“. Der Kanton hat etwa 2000 Quadratkilometer und 1,2 Millionen Einwohner. Mit Beginn der syrischen Revolution wurden dort – unblutig – Selbstverwaltungsstrukturen geschaffen. Das Regime von Assad hat dort seit Jahren nichts mehr zu sagen, aber auch der „IS“ oder islamistische Gruppen konnten in Afrin niemals Fuß fassen. Über die Verhältnisse in Afrin haben die Menschen quasi mit den Füßen abgestimmt. Bereits 2013 hatte diese kleine Region nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker mindestens 300.000 Binnenflüchtlinge aufgenommen – vor allem Kurden, aber auch arabische Sunniten aus dem nahe gelegenen Aleppo. Inzwischen sind es deutlich mehr. Mit dem von der Türkei angekündigten Krieg droht den Menschen in Afrin eine humanitäre Katastrophe. Die türkische Armee hat bereits begonnen, Afrin mit Raketen zu beschießen.

Deutschland: Panzer für die Türkei statt Hilfe für die Menschen

Aus Deutschland haben die Menschen in Afrin keinerlei humanitäre Hilfe von der Bundesregierung erhalten. Denn Afrin ist ein vorwiegend kurdisches Siedlungsgebiet. Teils aus politischer Rücksicht auf die Türkei, teils aus gemeinsamer politischer Gegnerschaft gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei humanitäre Unterstützung für die Menschen in Afrin. Die Bundesregierung hat zwar bislang über 38 Mio Euro über den „Syria Recovery Trust Fund“ für humanitäre Projekte und Aufbauhilfen in Syrien zur Verfügung gestellt. Kein Euro davon hat die Menschen in Afrin erreicht. Die Mittelvergabe wird von der Gaziantep/Türkei ansässige „syrische Exilregierung“ organisiert, die Hilfsgelder fließen nur in die Gebiete der mehr oder weniger „moderaten“ islamisch-arabischen Opposition, vor allem in die Region Idlib.

Statt humanitärer Hilfe droht der Beschuss durch Panzer aus Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland hat in der Vergangenheit in erheblichem Umfang Waffen an die Türkei geliefert, etwa Leopard Panzer. Diese Panzer setzte die Türkei ein, als sie am 24. August 2016 erstmals in den Norden in Syrien einmarschierte. Angeblich, um diese Region vom „IS“ zu befreien – tatsächlich wohl eher um der Befreiung dieser Gebiete durch die von den USA unterstützten kurdisch-arabischen SDF („Syrische demokratische Kräfte“) zuvor zu kommen. Am Tag des türkischen Einmarschs meldete zeit.de:  „Die Bundesregierung hat ihre Unterstützung für die türkische Militäroffensive im Norden Syriens erklärt. Die Türkei handele im Einklang mit den Zielen und Absichten der internationalen Koalition gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS), sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Offensichtlich bestehe das Interesse des Landes auch darin, dass im Norden Syriens kein Gebiet unter vollständiger kurdischer Kontrolle entstehe. Die Türkei gehe davon aus, dass Verbindungen zwischen der auch von Deutschland als terroristisch eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK und Teilen der Kurden auf syrischer Seite existierten. Das müsse man so zur Kenntnis nehmen. „Wir respektieren das, und wir sind auch der Meinung, dass es das legitime Recht der Türkei ist, gegen diese terroristischen Umtriebe vorzugehen“, zitiert Zeit-Online das deutsche Außenministerium.

Bedenken kamen im Zusammenhang mit dem Einmarsch der Türkei erst auf, als militärische Rückschläge der türkischen Armee Zweifel an der Tauglichkeit der Rüstungsgüter aus deutscher Produktion aufwarfen. Die „FAZ“ schrieb am 14.1.2017: „Die Türkei setzt Verbände ihrer Leopard-Panzer im Syrien-Krieg ein. Für den Exportschlager der deutschen Rüstungsindustrie ist es die bisher intensivste Bewährungsprobe mit ersten Verlusten. (…) Was als Stolz der deutschen Waffenindustrie gilt, liegt als ausgebrannter Panzer-Kadaver auf dem Schlachtfeld Nordsyriens. Denn: „Der Leopard „2A4“ ist für frontale Duelle konstruiert worden, seine Panzerung ist daher an der Vorderseite sehr stark. Im hinteren und teilweise seitlichen Bereich ist das schwere Kettenfahrzeug jedoch weniger gepanzert und daher relativ verwundbar,“ so: Focus 13.1.2017. Am 21.1.2017 berichtete der Spiegel: „Mit Panzern aus Deutschland Türkei kämpft in Syrien gemeinsam mit Terroristen. In Deutschland gilt Ahrar al-Scham als Terrororganisation – in Syrien kämpft sie an der Seite der türkischen Armee. Mit dabei: Panzer aus deutscher Produktion. Nach SPIEGEL-Informationen erlaubte Berlin jüngst Ersatzteillieferungen an Ankara“.

Zynischer geht es kaum: Opfer des Krieges – die deutsche Rüstungsindustrie, die um ihre Exportchancen gebracht wird, weil der „deutsche Panzer Mythos“ in Gefahr ist.

SPD-Außenminister Gabriel verhandelt über Nachrüstung für türkische Panzer

Diese Panzer sollen wieder rollen, diesmal direkt gegen die Kurden in Afrin. Beim Treffen zwischen SPD Außenminister Gabriel und dem türkischen Außenminister Cavosuglu in Goslar am 6. Januar ging es um eine „Nachrüstung“ der Panzer. Außenminister Gabriel erklärte nach dem Treffen, er habe „lediglich über Minenschutz für türkische Panzer“ gesprochen“, um den ihn der türkische Außenminister gebeten habe. „Ich habe ihm die Prüfung zugesagt, “ so Gabriel. Was heißt hier „lediglich“? Kurz vor dem Treffen mit Gabriel hatte der türkische Präsident Erdogan den Angriff auf Afrin öffentlich angekündigt. Auch Außenminister Gabriel konnte nicht verborgen bleiben, dass die Leopard Panzer für die nächste militärische Intervention der Türkei  „nachgerüstet“ werden sollen. Diesmal nicht gegen den „IS“, sondern im Kampf gegen die kurdische Selbstverwaltung im Norden Syriens. Laut SPIEGEL hat die Bundesregierung inzwischen die „Nachrüstung“ der türkischen Panzer genehmigt. Der Kampf gegen  „kurdische Terroristen“ war ja bereits 2016 aus Sicht der Bundesregierung das „legitime Recht“ der Türkei. Kein Wunder, dass hierzulande auch die Symbole der Organisationen der syrischen Kurden verboten werden, die an der Seite der USA den „IS“ inzwischen aus großen Teilen Syriens vertrieben haben.