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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Münster

 

6./7. Dezember 2000

Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold 

Villa ten Hompel und Annette-Gymnasium

von Stefan Proske

Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold in der Villa ten HompelAm 6. und 7. Dezember 2000 veranstaltete die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) Münster in Kooperation mit dem DGB, dem Uni-AStA und der GEW zwei Zeitzeugengespräche mit dem Widerstandskämpfer in der Résistance, Peter Gingold.

Die erste Veranstaltung fand am Dienstagabend in der Villa ten Hompel statt. Der Zeitzeuge Peter Gingold berichtete aus seiner Zeit als Widerstandskämpfer gegen den deutschen Faschismus. Peter Gingold, aus einer jüdischen Familie in Frankfurt am Main stammend, ging Ende 1933 nach Frankreich in die Emigration. Auch dort war er politisch aktiv und kämpfte seit 1941 in einer Gruppe der Résistance gegen den deutschen Faschismus. Er wurde im Jahre 1943 verhaftet, konnte aber aus den Händen der Gestapo entfliehen.

In seinem Bericht betonte Gingold immer wieder den großen Stellenwert, den der Widerstand gegen den Faschismus in seinem eigenen Leben einnimmt. Und genau auf die Menschen die Widerstand leisteten, die nicht mitgemacht haben, die nicht weggeschaut haben und die damit verbundenen Erfahrungen im Kleinen, in praktischer Solidarität mit zum Beispiel jüdischen Mitbürgern, in Frankreich wie auch in Deutschland, oder auch im bewaffneten Widerstand deutscher und französischer Männer und Frauen in der Résistance baute Gingold seine Hoffnungen auf eine demokratische und antifaschistische Gesellschaft. Gingold betonte: "Ich werfe keinem Menschen vor, daß er dem Rassenwahn des Nationalsozialismus nicht widersprochen hat, aber ich verlange von den Menschen, sich ihrer Rolle und Verantwortung bewußt zu sein und sich im Hier und Jetzt dafür zu engagieren, daß sich ein 1933 nie wiederhole."

Neben der Vorstellung seiner Biographie stand in der anschließenden Diskussion der über 80 BesucherInnen des Zeitzeugengespräches in dem bis auf den letzte Platz gefüllten Veranstaltungsraum auch der aktuelle Rassismus und Rechtsextremismus im Mittelpunkt. Peter Gingold, der immer wieder auf großen Demonstrationen und Kundgebungen als Redner eingeladen wird und sich unter anderem auch als Bundessprecher der VVN/BdA engagiert, zog in seinen Ausführungen immer wieder Parallelen zwischen alten und neuen Nazis. "Die Methoden", so Gingold "sind ähnlich". Auch aktuell werden Menschen zu Sündenböcken gemacht. Gestern waren es die Juden, heute vor allem Ausländer und die Schwächsten der Gesellschaft wie Obdachlose und behinderte Menschen. Das drängenste Problem sieht Gingold nicht unbedingt in den "Brüllaffen", also den Skinheads, sondern in dem weit verbreiteten Rassismus in der "Mitte der Gesellschaft".

Der 84jährige Gingold beeindruckte die BesucherInnen durch seine lebendige und offene Art. Die BesucherInnen dankten Gingold für seinen Vortrag mit lang anhaltendem Applaus.

Am Mittwochmorgen (7.12.) nutzten dann Schülerinnen und Schüler der Klasse 10d und ihre Lehrerin Maria Beckmann-Küster die Chance, von Peter Gingold Geschichte aus erster Hand zu erleben. Auch bei diesem Gespräch im Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium bildete das Leben Gingolds, die Verfolgung als Angehöriger des jüdischen Glaubens in Deutschland, das Leben im Exil mit seinen Eltern in Paris und seine Zeit als kommunistischer Widerstandskämpfer in Frankreich und Italien den Schwerpunkt, ohne auch hier nicht den aktuellen Rassismus auszublenden. "1945 war es für mich unvorstellbar", so Gingold, "daß Ihr, die Nachgeborenen, erneut konfrontiert sein würdet mit Nazismus, Rassismus, einem wiederauflebenden Nationalismus und Militarismus".

Erneut sind viele junge Menschen von Arbeitslosigkeit bedroht, erneut versuchen rechte Demagogen Zukunftsängste für ihre braune Ideologie zu mißbrauchen. Gingold appellierte an die Schülerinnen und Schüler, wachsam gegenüber neofaschistischen und rassistischen Tendenzen in unserer heutigen Gesellschaft zu sein. Gingold verband diesen Appell mit der Hoffnung auf eine Jugend, "die nicht wegsieht, wo Unrecht geschieht, wo Menschenrechte verletzt werden".

Die Veranstalter verfolgten mit diesen Zeizeugengesprächen das Interesse, in Zeiten, in denen der Rechtsextremismus und Rassismus in unserer Gesellschaft mehr denn je deutlich zu Tage tritt, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die über ihren Widerstand und ihre Verfolgung im deutschen Faschismus (noch) berichten können. Die VVN/BdA wird diese Arbeit in Münster auch in Zukunft fortführen.