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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Münster

 

18. Februar 2006

Bilder von der (versuchten) Nazi-Demo hinter dem Bahnhof

Axel Reitz (links), "Aktionsbüro West" und "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS), und Sascha Krolzig, der später verhaftete Versammlungsleiter der Nazi-Demo in Münster.

Axel Reitz (links), "Aktionsbüro West" und "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS), und Sascha Krolzig, der später verhaftete Versammlungsleiter der Nazi-Demo in Münster.

Hans-Gerd Wiechmann, ehemaliger Landesvorsitzender der "Republikaner" in Niedersachsen. Nun engagiert er sich für die NPD und der Bündelung extrem rechter Gruppierungen.

Hans-Gerd Wiechmann, ehemaliger Landesvorsitzender der "Republikaner" in Niedersachsen. Nun engagiert er sich für die NPD und der Bündelung extrem rechter Gruppierungen.

Daniel Gräf, "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) in Celle.

Daniel Gräf, "Kampfbund Deutscher Sozialisten" (KDS) in Celle.

Siegfried "SS-Siggi" Borchardt aus Dortmund.

Siegfried "SS-Siggi" Borchardt aus Dortmund.

Sascha Krolzig wird nach einem Angriff auf einen Gegendemonstranten, bei dem eine Polizistin leicht verletzt wurde, verhaftet.

Sascha Krolzig wird nach einem Angriff auf einen Gegendemonstranten, bei dem eine Polizistin leicht verletzt wurde, verhaftet.

Mehr Bilder unter www.nrw.vvn-bda.de/... 

18. Februar 2006 - Protest gegen die Nazi-Demo in Münster 

Rede von Stefan Proske, VVN/BdA Münster, auf der Kundgebung des "Bündnis gegen Rechts", Servatiiplatz 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde!

In den letzten Tagen und Wochen wurde in Münster über den "richtigen" Umgang, die "richtige" Reaktion auf den heutigen Aufmarsch der Neonazis debattiert. In einigen Stellungnahmen und Leserbriefen war die Einschätzung zu vernehmen, dass es gut wäre, den Naziaufmarsch zu ignorieren, oder den Nazis mit einem "Lächeln zu begegnen". Jede Art von Gegendemonstration trage doch nur dazu bei, den Nazis mehr Aufmerksamkeit zu geben.

Ich möchte an dieser Stelle meinen große Achtung vor den heutigen antifaschistischen Aktivitäten zum Ausdruck bringen - und an dieser Stelle deutlich machen, dass es unterschiedliche Formen des Protestes gibt, die in ihrer Unterschiedlichkeit aber ihre Berechtigung haben. Ich grüße an dieser Stelle die vielen Menschen, die vor und hinter dem Bahnhof versuchen, die Nazis erst gar nicht losmarschieren zu lassen, ebenso freue ich mich über die Kundgebung, die am frühen Nachmittag im Rathausinnenhof stattfindet.

Ich möchte in meinem Beitrag auf die Frage des Umgangs mit den Nazis zurückkommen. Der entscheidende Grund, heute vehement auf die Strasse zu gehen und deutlich Position zu beziehen, ist für mich, dass wir uns nie wieder mit neofaschistischer, antisemitischer oder rassistischer Propaganda abfinden dürfen. Es darf zu der Verherrlichung des Nationalsozialismus, zu der Verherrlichung von Krieg und Vernichtung, zur Glorifizierung der Wehrmacht und der Leugnung der unendlichen Verbrechen, die von Deutschen begangen wurden, kein Schweigen und kein Zurückweichen geben!

Schauen wir uns doch mal etwas genauer an, wer denn da heute in Münster marschieren will. Das "Aktionsbüro Westdeutschland", darin organisiert sogenannte "Freie Kameradschaften", der "Kampfbund deutscher Sozialisten" und lokale Gliederungen der NPD unterstützen die heutige Nazidemonstration.

Federführend ist hierbei das Mitglied des Nazikaders Axel Reitz. Reitz wird in einem ZDF-Magazin u.a. wie folgt zitiert: "Wir glauben auf dieser Erde alleine Adolf Hitler. Wir glauben, dass der Nationalsozialismus der allein seligmachende Glaube ist für unser Volk". Reitz unterhält Kontakt zum Holocaust-Leugner Gary Lauck und dessen NSDAP/AO. Aus diesem Zitat und dem organisatorischen Zusammenhang wird deutlich, dass heute hier in Münster die übelsten Neonazis marschieren. Wer sich in eine Tradition mit Hitler-Deutschland stellt, darf nicht mit unserem Schweigen rechnen, sondern mit unserer entschiedensten Gegenwehr! Faschismus ist und bleibt keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Schauen wir uns den Aufruf der Nazis für die heutige Demonstration an. Sie wollen eine Offensive gegen die amerikanischen und britischen "Besatzer" starten und fordern eine "Befreiung Deutschlands" und ein Ende der "Fremdherrschaft". Kombiniert werden diese Forderungen mit einem Antiamerikanismus und einem Antikapitalismus. Gefordert wird eine Rückbesinnung auf das "Volk und die Nation".

Wie bereits bei der letzten Nazidemonstration in Münster im Jahre 1998 versuchen die alten und neuen Nazis die Folgen des zweiten Weltkrieges und die Konsequenzen und Implikationen aus dem barbarischen Holocaust zu negieren. 1998 ging es gegen die so genannte "Wehrmachtsausstellung", die damals in Münster gezeigt wurde, und um die Glorifizierung des Soldatentums und die Leugnung von Wehrmachtsverbrechen und Kriegsschuld.

Heute, über 60 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg durch die Briten, Amerikaner, die Sowjetunion, Franzosen und die vielen anderen Freiheitsarmeen wollen die Nazis die Geschichte wieder umdrehen. Ich möchte an dieser Stelle an den Schwur erinnern, den die befreiten ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald kurz nach der Befreiung leisteten, dort heißt es u.a.: "Heute sind wir frei! Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt Frieden und das Leben erkämpften."

Lassen wir nicht zu, dass Neonazis und andere Kräfte aus Tätern Opfer machen wollen. In den nächsten Tagen und Wochen wird auch wieder der Alliierten Luftangriffe gedacht. Neonazis versuchen hier, sicherlich nicht losgelöst von breiteren gesellschaftlichen Debatten, diese Angriffe nicht im Zusammenhang vom deutschen Durchhaltewillen, von der deutschen Hoffnung auf den Endsieg zu betrachten. Die Angriffe auf Dresden, Hamburg oder Münster lassen sich nicht ohne den Kontext einer weiter arbeitenden Kriegsmaschinerie Nazi-Deutschlands betrachten. Für das, was die Deutschen ihren Opfern antaten, gibt es jedoch keinen Vergleich.

Axel Reitz ist in der Vergangenheit zusammen mit seinen braunen Kameraden wiederholt mit antisemitischer Propaganda aufgetreten u.a. mit einem Redebeitrag auf einer Demonstration in Bochum, die sich gegen den dortigen Neubau der Synagoge richtete. Aufgrund dieser Rede wurde Reitz wegen Volksverhetzung vom Landgericht Bochum zu einer Haftstrafe verurteilt. Reitz und seine Kameraden vermengen Antisemitismus mit Antiamerikanismus und solidarisieren sich mit Saddam Hussein. Neonazis wie Horst Mahler kündigen in diesem Zusammenhang eine Beteiligung an der vom iranischen Präsidenten angekündigte Holocaust-Konferenz an.

Ich möchte mich an dieser Stelle entschieden gegen die Hetze gegen den Staat Israel und den implizierten Antisemitismus aussprechen.

Der Aufmarsch in Münster ist auch vor dem Ziel zu sehen, die Öffentlichkeit an eine Präsenz von Neonazis zu gewöhnen. Gewöhnung kann schnell zu einer Gleichgültigkeit führen. Aber schauen wir noch einmal genauer hin. Im letzten Jahr hat die VVN/Bund der Antifaschisten eine, wie ich finde bemerkenswerte, Ausstellung in Münster gezeigt. Eine Künstlerin dokumentierte auf sehr eindringliche Art über 100 Todesopfer rassistischer und neofaschistischer Gewalt in der Bundesrepublik in den Jahren nach der Wiedervereinigung.

Im letzten Jahr wurde in Dortmund der 32jährige Thomas Schulz von Neonazis ermordet. Axel Reitz zeichnete in diesem Zusammenhag für ein Plakat verantwortlich, welches von Nazis in Dortmund nach dieser schrecklichen Tat plakatiert wurde. Hier war zu lesen: "Wer sich der Bewegung in den Weg stellt, muss mit den Konsequenzen leben".

Ich frage mich an dieser Stelle, warum die Polizeibehörde in Münster nicht ernsthaft ein Verbot der Nazidemo angestebt hat. Reitz drohte weiter: "Diejenigen, die uns heute bekämpfen, werden einmal auf dem Marktplatz gestellt und erschossen!"

Lieber Herr (Polizeipräsident) Wimber, was muss denn noch passieren, damit diese Agitation, diese Androhungen von Verbrechen und dessen Legitimation verboten werden?

Die Demonstrationsfreiheit basiert auf dem Grundgesetz und den damit verbundenen Wertmaßstäben, insbesondere dem Bekenntnis zur Menschenwürde, zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft (Art. 1 GG) und auf den Grundrechten. Mit dieser Konzeption des Grundgesetzes ist das ideologische Grundgerüst nationalsozialistischer Menschenverachtung, zu der insbesondere die Judenverfolgung und ihre Massenvernichtung gehören, ganz und gar unvereinbar. Demonstrationsinhalte und -ziele, die die Naziverbrechen bagatellisieren, nationalsozialistisches Vokabular, wie es der sogenannte Führer des Kampfbundes deutscher Sozialisten, Axel Reitz, verwendet, verstoßen gegen das Grundgesetz! Konsequenz daraus kann doch nur ein Verbot der Neonazidemonstration sein!

Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren!

Zeigen wir heute gemeinsam, dass wir Nazi-Inhalte und die damit verbundenen Personen nicht dulden!

Für uns Antifaschistinnen und Antifaschisten ist es eine zentrale Aufgabe, entschieden gegen Neofaschismus zu kämpfen und die Adaptierung von neofaschistischen Inhalten in der Mitte der Gesellschaft deutlich zu machen.

Eine Konsequenz aus der Befreiung von Faschismus und Krieg, eine Konsequenz aus dem 08. Mai 1945, ist für uns das Streiten für eine Gesellschaft, in der Auschwitz, in der Faschismus und Krieg nie wieder eine Chance bekommen.

Aber beschränken wir unser Engagement nicht nur auf den heutigen Tag.

Die Auseinandersetzung mit den Neofaschismus, mit alltäglichem Rassismus, mit der Umdeutung der Geschichte benötigt Beharrlichkeit und Ausdauer, über die heutige Aktion hinaus.

Vielen Dank!