Logo VVN/BdA Münster

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Kreisvereinigung Münster

 

September 2003

"Tag der Heimat" 2003

Offener Brief an Gastreferentin Cornelie Sonntag-Wolgast

Die Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages und SPD-Abgeordnete soll am Sonntag, den 21. September 2003, beim "Tag der Heimat“ im Rathaus der Stadt Münster sprechen.

Nach unserer Auffassung ist der gastgebende Bund der Vertriebenen (BdV) in Münster wiederholt durch einen unkritischen Umgang mit Rechtsextremen und einer revanchistischen Politik aufgefallen. Diese Einschätzung untermauern wir mit einigen Beispielen dieser Politik. Unter anderem zitieren wir die Vorsitzende des BdV Münster, Roswitha Möller. Möller äußerte sich in einem Interview wie folgt:

"Wenn Hitler 1939 sagte, ab 5:45 Uhr wird zurück geschossen, warum? Weil die Polen im Widerspruch zum Versailler Vertrag mehr und mehr das Korridorgebiet annektierten und die dortigen Deutschen vertrieben."

Diese Aussage leistet unserer Meinung nach einen Beitrag dazu, die deutsche Kriegsschuld zu leugnen und so indirekt die Millionen Toten des verbrecherischen Feldzuges der Wehrmacht selbst zu Tätern machen. Auch die weiteren Argumente in unserem offenen Brief lassen uns zu dem Schluss kommen, dass der BdV für eine sachliche und vernünftige Aufarbeitung der Rolle und der Geschichte der so genannten Heimatvertriebenen nicht in Frage kommt.

Letztlich bitten wir SPD-Abgeordnete Sonntag-Wolgast, ihre Argumente genau zu überprüfen und somit auch die Einladung des BdV noch einmal zu überdenken.

Hier folgt der offene Brief:

VEREINIGUNG DER VERFOLGTEN DES NAZIREGIMES/
BUND DER ANTIFASCHISTINNEN UND ANTIFASCHISTEN

KREISVEREINIGUNG MÜNSTER

Frau Cornelie Sonntag-Wolgast 
Mitglied im Deutschen Bundestag 
Platz der Republik
11011 Berlin

Sehr geehrte Frau Sonntag-Wolgast,

am Sonntag, den 21. September, sind Sie vom "Bund der Vertriebenen (BdV) Kreisverband Münster“ nach Münster zur hiesigen Feierstunde anlässlich des sogenannten "Tag der Heimat" eingeladen worden.

Mit diesem Offenen Brief möchten wir Antifaschistinnen und Antifaschisten in der VVN/BdA Sie über unsere sehr kritische Einstellung gegenüber dieser Veranstaltung im Allgemeinen und der Organisation des BdV in Münster im Besonderen informieren. Wir sind der Auffassung, daß dieser Brief bei Ihnen noch einmal zu einer Überprüfung ihrer Zusage an den BdV Münster führen sollte. Aber nun zu unserer zusammengefassten Kritik.

Der Bund der Vertriebenen in Münster ist in den letzten Jahren immer wieder durch eine Zusammenarbeit bzw. einen unkritischen Umgang mit Rechtsextremen und einer revanchistischen Politik aufgefallen. Einige Beispiele wollen wir hier nennen:

Anläßlich des "Tags der Heimat" lud der BdV Münster in 2000 den "rechten Stichwortgeber" Klaus Rainer Röhl ein. Röhl tritt für rechtsextreme "Kaderschmieden" auf, schreibt für die "Junge Freiheit" und beleidigte in einem Artikel für das "Ostpreußenblatt" indirekt die Millionen ermordeter Jüdinnen und Juden und wärmt in Zeitungsbeiträgen rassistische Stereotypen gegen Sinti und Roma auf. Die VVN/BdA forderte den Münsteraner Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann in einem Offenen Brief auf, den Auftritt von Röhl zu verhindern. Auf Grund des umfangreichen Recherchematerials der VVN/BdA ließ sich ein Auftritt von Röhl in der Öffentlichkeit nicht mehr vertreten, so dass der BdV den Publizisten unter Druck des Oberbürgermeisters zurückzog.

In einem Bericht der "münster-taz" vom 10. August 2000 wird die Vorsitzende des lokalen BdV, Frau Roswitha Möller, wie folgt zitiert: "Wenn Hitler 1939 sagte, ab 5:45 Uhr wird zurückgeschossen, warum? Weil die Polen im Widerspruch zum Versailler Vertrag mehr und mehr das Korridorgebiet annektierten und die dortigen Deutschen vertrieben." Wir müssen Ihnen sicherlich nicht erklären, dass diese Aussage ihren Beitrag dazu leistet, die deutsche Kriegsschuld zu leugnen und so indirekt die Millionen Toten des verbrecherischen Feldzuges der Wehrmacht selbst zu Tätern macht.

Dies war nicht der erste Ausfall dieser Art von Frau Möller. Frau Möller hat sich auch in besonderer Weise im Zusammenhang mit der so genannten "Wehrmachtsausstellung" (1998) in Münster hervorgetan. Frau Möller engagierte sich auf lokaler Ebene gegen diese Ausstellung und veröffentlichte in der "Deutschen Umschau" (Organ des BdV NRW) eine Todesanzeige für Ihren Großvater unter der Überschrift: "Unsere Väter waren keine Verbrecher". Wenig später marschierte die NPD unter selbem Motto durch Münsters Innenstadt.

Auch ist Frau Möller nicht zimperlich, was die Auswahl ihrer Bündnispartner betrifft. Wir zitieren noch einmal die "münster-taz": "So kommt es dann, daß ihr eigener Name (Roswitha Möller) 1997 auf einem Demonstrationsaufruf einer "Interessengemeinschaft für die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands" neben den von Mitgliedern der NPD, der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" und der Republikaner auftaucht."

Dies sind einige Beispiele der Aktivitäten des hiesigen BdV. Auch beziehen wir unsere kritische Haltung zum "Tag der Heimat" auf die bundesweiten Aktivitäten der so genannten Heimatvertriebenen.

Aktuell ist hier das Projekt "Zentrum gegen Vertreibungen" zu nennen. Folgt man der Satzung des "Zentrums" geht es in erster Linie um die Vertreibung der Deutschen nach 1945. Die Perspektive des BdV ist hier "Vertreibung ist Unrecht". Der BdV will andere Vertreibungen mit einbeziehen. Aber in der Auseinandersetzung mit anderen Vertreibungen vergisst der BdV die brutalste Vertreibung des 20. Jahrhundert: den Holocaust. Und hier waren bekanntlich Deutsche die Täter. Es ist einfach ein Skandal! Für den BdV findet diese mit nichts zu vergleichende Vernichtung von Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma nicht statt. Das Projekt blendet somit aus, dass die Vertreibung der Deutschen eine Vorgeschichte hat.

Sehr geehrte Frau Sonntag-Wolgast, wir möchten Sie bitten, unsere Bedenken genau zu überprüfen! Als Innenpolikerin und ehemalige Innen-Staatssekretärin haben Sie sich immer wieder mit Rechtsextremismus beschäftigt. Rechtsextremismus fängt aber nicht erst bei Skinhaeds und der NPD an, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Wir würden uns über eine Antwort von Ihnen sehr freuen!

Für die VVN/BdA Münster 
Stefan Proske