VEREINIGUNG DER VERFOLGTEN DES
NAZIREGIMES/
BUND DER ANTIFASCHISTINNEN UND ANTIFASCHISTEN
KREISVEREINIGUNG MÜNSTER
Münster, 10. November 2004
Stadt Münster
Oberbürgermeister Dr. Berthold
Tillmann
48127 Münster
Sehr geehrter Herr Dr. Tillmann, sehr
geehrte Damen und Herren.
Mit diesem Schreiben möchte ich im
Namen der VVN/BdA nochmals Stellung nehmen zu dem Thema Volkstrauertag
und dem Ring Deutscher Soldatenverbände.
In den letzten Tagen sind einige
Unklarheiten bezüglich des Zusammenhangs zwischen dem Ring
Deutscher Soldatenverbände (RDS) zu Münster und dem Ring
Deutscher Soldatenverbände (Sitz Bonn) aufgetreten. Es gibt
nun Angaben, dass der RDS zu Münster aus dem Bundesverband
ausgetreten sei, andere Quellen behaupten, dass die
Münsteraner überhaupt nie dort Mitglied gewesen sind. Wir
werden diesen Sachverhalt nicht mehr endgültig bis zum
Volkstrauertag klären können. Aber letztlich ist dies auch
unerheblich.
Jetzt jedoch den Schluss zu ziehen,
dass unsere Argumentation bezüglich des
"Kontaktverbotes" und der fehlenden Abgrenzung zu
extrem rechten Kreisen gegenstandslos sei, dies wäre nicht
nur verfrüht, sondern schlicht falsch. Wir möchten dies
kurz begründen:
In der Broschüre "40 Jahre
Volkstrauertag in Münster", herausgegeben vom RDS zu
Münster, beschreibt der derzeitige Vorsitzende des RDS zu
Münster, Klaus Höhn, die Entstehung seiner Organisation
und deren Geschichte. Die Gründung der
Vorläuferorganisation des heutigen RDS zu Münster wird
für das Jahr 1960 angegeben. Ein Jahr später, im Jahr
1961, wird der Verband deutscher Soldaten (VdS) Mitglied im
RDS zu Münster. Im Folgenden werden zahlreiche
Ereignisse aus dem VdS in der genannten Broschüre erwähnt.
Zum Beispiel hat ein damaliger Vorsitzender des VdS schon
einmal die Gedenkrede am Volkstrauertag gehalten. Ein
ehemaliger Vorsitzender des VdS wird beispielsweise im Jahr
1998 Ehrenmitglied im RDS zu Münster. In der genannten
Broschüre finden sich einige weitere Anhaltspunkte, die
eine enge Bindung zwischen VdS und RDS zu Münster
aufzeigen. Die genannte Broschüre endet mit einem Eintrag
für das Jahr 2001. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die
Situation, dass der Verband deutscher Soldaten Mitglied im
RDS zu Münster ist. Gegen den VdS wurde das
"Kontaktverbot" seitens des
Verteidigungsministeriums erlassen. Es ist richtig, dass
der RDS zu Münster nicht direkt vom Kontaktverbot betroffen
ist, jedoch indirekt durch die Mitgliedschaft des Verband
deutscher Soldaten im RDS zu Münster.
Wir Antifaschistinnen und
Antifaschisten in der VVN/BdA bleiben bei unserer
eindringlichen Forderung, die Zusammenarbeit mit diesen
Organisationen, also dem Verband deutscher Soldaten und
dadurch auch zum RDS zu Münster zu beenden.
In der besagten Broschüre finden sich
weitere zahlreiche Hinweise auf die politische Ausrichtung
des RDS zu Münster. Gründungsmitglied des RDS zu Münster
war unter anderem auch die HIAG (Hilfsgemeinschaft auf
Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS).
Diese Organisation wurde jahrelang (nicht nur) vom
Verfassungsschutz als rechtsextrem gekennzeichnet. An den
Veranstaltungen zum Volkstrauertag haben Vertreter der
neofaschistischen NPD teilgenommen und Kränze niedergelegt.
In der politischen Auseinandersetzung um Themen wie
beispielsweise die Errichtung des Mahnmals
"Zwinger" oder der sogenannten
"Wehrmachtsausstellung“ wird immer wieder die
fehlende Bereitschaft deutlich, auch über die Verbrechen
der Wehrmacht sprechen zu wollen und selbige anzuerkennen.
Wir sind weiterhin der Auffassung,
dass der RDS zu Münster kein legitimer Bündnispartner für
die Stadt Münster sein darf. Aufgrund der politischen
Orientierung des RDS zu Münster auch unabhängig von dem
Kontaktverbot!
Wir sind weiterhin nicht damit
einverstanden, dass das Gedenken am Volkstrauertag
maßgeblich von ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht
geprägt wird. Wir sind nicht damit einverstanden, mit einem
Verband konfrontiert zu werden, der jegliche Trennlinien
auch zu rechtsextremen Organisationen vermissen lässt. Wir
erinnern noch einmal an Aussagen aus unserem ersten Brief zu
diesem Thema:
Ein Gedenken an die Toten beider
Weltkriege wird von uns nicht kritisiert, im Gegenteil, wir
halten eine Auseinandersetzung mit Ursachen und Folgen
beider Weltkriege, besonders auch für die "jüngere
Generation“, für notwendig.
So ist auch das offene Gedenken
Hinterbliebener von Kriegstoten nicht Gegenstand unserer
Kritik. Nur darf unserer Meinung nach ein Gedenken an die
Weltkriege nicht losgelöst von einem Bekenntnis
stattfinden, dass es große Teile der deutschen Bürgerinnen
und Bürger waren, die Hitler und die Nationalsozialisten an
die Macht gebracht haben, dass es eine große
Kriegsbegeisterung in weiten Teilen der Landes gab. Erste
militärische Erfolge wurden umjubelt. Und um die
deportierten Juden, Sinti und Roma, die ermordeten oder
verhafteten Sozialdemokraten, Kommunisten oder engagierten
Christen kümmerte man sich nicht, im Gegenteil, das
Eigentum dieser Menschen wurde unter den "arischen“
Bürgerinnen und Bürger aufgeteilt.
Ein Gedenken am Volktrauertag muss
auch thematisieren, dass beide Weltkriege von Deutschland
begonnen wurden, dass es deutsche Soldaten waren, die andere
Menschen und Länder überfallen haben, die Menschen
unterdrückten und versklavten. Dass es deutsche Soldaten
waren, die an massiven Menschenrechtsverletzungen und
Kriegsverbrechen beteiligt waren. Hierzu darf eine
Veranstaltung am Volkstrauertag nicht schweigen!
Erst als der Krieg nicht mehr zu
gewinnen war, als deutsche Städte bombardiert wurden,
drehte sich die Stimmung im sogenannten "Dritten Reich“.
Und 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus und Krieg
durch die Armeen der Sowjetunion, der Amerikaner, Franzosen,
Engländer, Kanadier und vielen anderen Alliierten machen
sich nun die Bombenkriegsopfer und die Vertriebenen zu den
eigentlichen Opfern des Krieges. Und genau diese Inhalte,
diese Geschichtsumdeutung finden wir in dem Gedenken am
Volkstrauertag am Denkmal "Herman von Bittenfeld“
wieder.
Aber diese Veranstaltung am
Kriegerdenkmal ist nicht alternativlos. Seit Jahren
bemühen wir uns von der VVN/BdA, an diesem Tag ein
antifaschistisches Gedenken zu organisieren. Und dies nicht
ohne Erfolg. Auf unseren Veranstaltungen konnten wir u.a.
Ludwig Baumann begrüßen. Baumann ist Vorsitzender einer
Vereinigung der NS-Miltärjustizopfer und
Wehrmachtsdeserteur. Wir haben mit der Westfälischen Klinik
für Psychiatrie den Opfern der NS-Psychiatrie gedacht oder
uns mit dem Thema Zwangsarbeit in Münster auseinander
gesetzt. Im vergangenen Jahr berichtete der Vorsitzende des
Ausländerbeirates der Stadt Münster, Spyros Marinos, über
die faschistische Besatzung seiner griechischen Heimat und
über Verbrechen der Wehrmacht in Griechenland.
Auch in diesem Jahr werden wir wieder
zu einer Gedenkveranstaltung an den Zwinger einladen.
Sehr geehrter Herr Dr. Tillmann, wir
möchten auch diesen Brief nicht beenden, ohne unsere
Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Wir sind bereit,
zusammen mit anderen Gruppen und der Stadt Münster über
eine Neugestaltung des Gedenkens am Volkstrauertag
nachzudenken.
Wir halten diese Neugestaltung für
dringend notwendig. Eine weitere Zusammenarbeit der Stadt
Münster mit dem Ring Deutscher Soldatenverbände ist für
uns nicht denkbar.
Mit antifaschistischen und
freundlichen Grüßen!
Stefan Proske
(Sprecher der VVN/BdA Münster)
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