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Was Mülleimer von Kühlschränken unterscheidet – Abfall verstehen

Was hast Du heute schon weggeschmissen: Eine Verpackung, eine Bananenschale oder ein kaputtes Haargummi? All diese Dinge liegen jetzt am gleichen Ort: dem Mülleimer. Aber sind diese Gegenstände dann eigentlich entsorgt, oder eher: wie geht “wegschmeißen”? Was konkret mit unseren Gegenständen passiert, damit sie im nächsten Moment zu Müll werden, beleuchtet dieser Beitrag. Abfallvermeidung beginnt genau dann, wenn wir diese Momente abwehren.

Abfall ist überall. Er hat sich in unsere Leben geschlichen, wir sind mit ihm groß geworden und erst beim Versuch ihn zu vermeiden, fällt uns auf, wie fest sein Platz in unserer Mitte ist. Wir haben ganze Orte nur für Müll und Dinge, die es noch werden sollen, errichtet.In jeder guten Küche, sei sie noch so klein oder professionell, stehen Kühlschränke und Mülleimer meist beieinander. Gemein haben beide, dass wir in ihnen unsere Dinge aufbewahren. Der feine Unterschied liegt darin, dass im Kühlschrank steht, was wir noch gebrauchen wollen und im Mülleimer liegt der gesamte Rest. Beiden Orte trennen meist nur wenige Meter und doch ganze Welten. Denn wann etwas von dem einen in den anderen Ort gelangt, entscheidet die Person, die sich in der Küche befindet – also ich. Oder Schimmel, wenn das Pesto nicht so lange gehalten hat, wie ich es erwartet habe.

Zum Entsorgen braucht es zwei zentrale Bausteine: die Entscheidung, etwas wegzuschmeißen und einen Ort, an den Entsorgtes gelegt wird.

Was in den Mülleimer kommt, sagt bereits sein Name. Doch was Müll ist, ist unklar. Bei Unklarheiten hilft ein vertrauensvoller Blick hinüber in die Gesetzestexte. Laut Kreislaufwirtschaftsgesetz kann grundsätzlich jeder bewegliche Gegenstand zu Müll werden. Der Gegenstand muss durch die besitzende Person zu Müll gemacht werden. Das trifft selbstredend nicht auf alle Dinge dieser Welt zu. Gefährden Stoffe die Umwelt oder die menschliche Gesundheit, sind sie auch ohne die Definition der besitzenden Person zu entsorgen. Für den Alltag braucht es demnach keine blinde Zerstörungswut, um aus einem Handy Elektroschrott zu zaubern, die bloße Umbenennung reicht.

Müll ist eine Frage des Empfindens und der Ordnung

Erste Versuche, Müll als solchen zu definieren, wurden in den 50er Jahren in der Soziologie unternommen: Dinge, die nicht am richtigen Ort sind, wirken müllig. Es wirkt unaufgeräumt und schmutzig, wenn Dinge an Orten liegen, an die sie nicht gehören. Das schimmelig gewordene Pesto im Kühlschrank wirkt unhygienisch und hat aus meiner Sicht das Recht weiter im Kühlschrank zu stehen verloren. Der Schimmel führt zum Impuls, das Pesto los zu werden.

„Wenn Du etwas nur isst, um es nicht wegzuschmeißen, bist Du der Mülleimer.“

Ein Klassiker. Eigenes Foto

Es ist keine Abfallvermeidung, Dinge nicht wegzuschmeißen, die Müll geworden sind. Abfallvermeidung verhindert genau diesen Moment des „zu Müll werden“. Die ursprüngliche Ordnung im Kühlschrank, nur genießbare Lebensmittel aufzubewahren, kann wiederhergestellt werden durch den nahe liegenden Mülleimer. Zielsicher gelangen die Reste in die Biotonne und das Glas in die Spüle. Eigentlich liegt das Pesto jetzt aber immer noch in der Wohnung, nur nicht mehr im Kühlschrank. Ist es jetzt bereits weggeschmissen?

Konkret schmeißen wir Dinge nicht weg. Wir geben ihnen nur einen neuen Ort.

Vom kleinen weißen Eimer neben dem Kühlschrank zur großen Mülltonne vor dem Haus über die weiten Verwertungswege der Abfallwirtschaft. Es gibt immer wieder einen neuen richtigen Ort für die Dinge, die wir nicht mehr haben wollen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten: Die Abfallwirtschaft. So wie Abfall durch die besitzende Person definiert wird, wird es ein Rohstoff auch.

Unser Abfall – Sie nennen es Rohstoff

So oder so ähnlich gelangen Stoffe in die Wege der Abfallwirtschaft. Quelle: Pixabay

Unsere Gegenstände sind alle noch da. Zumindest eine ganze Zeit lang – bis sie verrotten oder weiterverarbeitet werden, aber es bleiben stets Reste. Von den rund 8,3 Milliarden Tonnen Plastik, die zwischen 1950 und 2015 produziert wurden nicht einmal 10% recycelt (Heinrich-Böll-Stiftung). Noch in Benutzung, abgelagert in der Umwelt oder verbrannt macht insbesondere den künstlichen Stoff gewonnen aus Rohöl zu einem Problem. In Müllverbrennungsanlagen der verwertenden Unternehmen werden unsere gesellschaftlichen Reste in Energie umgesetzt, für deren Verbrennung es überhaupt einen unfassbar heißen Ofen braucht, der viel Energie benötigt. Bei der „Waste-to-Energy“-Methode entstehen giftige Schlacken, Aschen und Gase, da all die hereingegebenen Stoffe nur in eine andere chemische Form umgewandelt werden; eine finale Beseitigung ist nicht gegeben.

Abfalltrennung wirkt

Es gibt regionale Unterschiede. Momentan werden beispielsweise von den in Deutschland anfallenden getrennten Verpackungsabfällen, 50 Prozent recycelt, was jährlich rund 1,45 Mio. Tonnen ausmacht. Dies umfasst auch exportierte Abfälle, deren Recycling nicht abschließend sichergestellt werden kann (Wilts, 2018). Ebenso viele Tonnen werden energetisch verwertet – also verbrannt und nicht zu unterschätzen sind die Stoffe, die es gar nicht erst in die Mülleimer schaffen. Wir können nichts so richtig loswerden. Unsere Dinge existieren weiter. Sie sind noch da, nur woanders.

Mülleimer: Der Ort, um unliebsame Dinge loszuwerden.

Während der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie wurden artig leere Weinflaschen in farbiger Trennung vor volle Glascontainer aufgereiht. Die Sperrgutabholung wurde in manchen Städten ausgesetzt. Kreative Lösungen wurden gefunden: Zu verschenken Kisten wurden aufgestellt Möbelstücke haben im Viertel teilweise ein neues Leben erhalten, denn interessant ist, dass die einmal zugeschriebene Mülleigenschaft einer Person von einer anderen Person wieder aufgehoben werden kann. Ungeduldigere Mitmenschen haben ihren Müll in der Zeit geschlossener Wertstoffhöfe wild entsorgt und in die Umwelt geschmissen. Der Müll liegt jetzt im Wald, er ist nicht weggeschmissen. Wir können nichts wegschmeißen. Wir können es nur weitergeben, einlagern, wiederverwenden, schmelzen oder verbrennen. Es gibt kein weg, nur ein woanders.