Ludwig
Baumann
Ehem. Wehrmachtssoldat und Deserteur
Zeitzeugengespräch in Münster am 17. November 2001
Ludwig Baumann wurde am 13. Dezember 1921 in Hamburg als Sohn
eines Tabakgroßhändlers geboren. Er erlernte den Beruf des
Maurers.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland
trat er als junger Mann weder der Hitler-Jugend noch der NSDAP bei.
Als 19jähriger wurde Ludwig Baumann in die Wehrmacht eingezogen. Am
03.06.1942 desertierte er gemeinsam mit seinem Freund Kurt Oldenburg
bei Bourdeaux/Frankreich aus Hitlers Armee. Zu seinen Motiven
erklärt Ludwig Baumann heute: "Ich hatte erkannt, daß es ein
verbrecherischer, völkermörderischer Krieg war."
Bereits am folgenden Tage wurden die beiden Freunde von deutschen
Grenzposten gestellt. Obwohl Ludwig Baumann und Kurt Oldenburg
bewaffnet waren, vermochten sie es nicht, ihre Waffen gegen andere
Menschen einzusetzen. Baumann: "Menschen töten, das konnten
wir nicht."
Ludwig Baumann wurde am 30.06.1942 wegen "Fahnenflucht im
Felde" zum Tode verurteilt. Von der Umwandlung der Todesstrafe
in eine 12jährige Zuchthausstrafe erfuhr er erst nach Monaten
täglicher Todesangst. Jeden Morgen rechnete er mit seiner
Hinrichtung. Ludwig Baumann wurde in das KZ Esterwegen, eines der
berüchtigten Moorlager im Emsland, und später in das
Wehrmachtsgefängnis Torgau transportiert. In Torgau erlebte Ludwig
Baumann, wie Tausende andere Deserteure hingerichtet wurden. Seine
Angst verließ ihn seitdem nicht mehr. Baumann: "Auch heute
verfolgt mich diese Not noch in meinen Träumen."
Wie viele andere Deserteure wurde Ludwig Baumann in das
sogenannte Bewährungsbataillon 500 an die Ostfront gezwungen.
Dennoch überlebte Baumann den Krieg. Nach Rückkehr aus der
sowjetischen Kriegsgefangenschaft hatte er es schwer in einer
Gesellschaft, in der Deserteure noch immer als "Feiglinge"
geächtet wurden. Er vertrank sein Erbe in kurzer Zeit.
Erst als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes starb,
gelang es ihm, sich vom Alkohol zu lösen. Er war von nun an für
seine Kinder allein verantwortlich. In dieser Zeit begann Ludwig
Baumann, sich in der Friedens- und "3.Welt"-Bewegung zu
engagieren. 1989 gründete er mit etwa 40 noch lebenden
Wehrmachts-Deserteuren die "Bundesvereinigung Opfer der
NS-Militärjustiz", um eine Aufhebung der Unrechtsurteile gegen
Deserteure, "Wehrkraftzersetzer und Selbstverstümmeler"
durchzusetzen und deren vollständige Rehabilitierung zu erreichen.
Als Vorsitzender der Bundesvereinigung wurde Ludwig Baumann bekannt.
Im Jahre 1998 wurden mit dem Gesetz zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege
"verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter
Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30.
Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des
nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen,
militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen
Gründen ergangen sind, aufgehoben. Die den Entscheidungen zugrunde
liegenden Verfahren werden eingestellt" (wikipedia).
2002 wurde durch eine Änderung des Gesetzes auch Urteile gegen
Deserteure aufgehoben.
Der 08.09.2009 war für den mittlerweile 87-jährigen Ludwig
Baumann ein ganz besonderer Tag. Fast 20 Jahre nachdem er und
weiterer Mitstreiter die "Bundesvereinigung Opfer der
NS-Militärjustiz" gegründet haben, hat der Bundestag nach den
Deserteuren nun auch die letzte Opfergruppe der damaligen
Blutrichter rehabilitiert: Die so genannten
"Kriegsverräter". Darin erhalten per Gesetz all jene
Menschen posthum und pauschal ihre Ehre und Würde zurück, die von
NS-Richtern oft wegen Lappalien verurteilt und hingerichtet wurden.
Ludwig Baumann setzt sich nicht nur für die Rehabilitierung von
Deserteuren ein, sondern versucht an jedem Einberufungstermin mit
jungen Männern, die auf dem Weg in die Kaserne sind, ins Gespräch zu kommen. Auf Bahnhöfen oder vor Kasernen spricht er zu den
Einberufenen: "Leistet Widerstand, wenn ihr Befehle bekommt,
denen ihr im zivilen Leben nicht folgen würdet."
Im Jahre 1994 wurde Ludwig Baumann mit dem "Sievershäuser
Friedenspreis" und 1995 mit dem "Aachener
Friedenspreis" ausgezeichnet. Die eigens dafür gegründete
"Potsdamer Initiative" schlug ihn zur Nominierung für den
Friedensnobelpreises im Jahre 1996 vor.
Er lebt in Bremen und ist als Zeitzeuge bei den verschiedensten
Gelegenheiten und Veranstaltungen in der gesamten BRD aktiv. Weitere
Infos: Ludwig Baumann in der Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Baumann_(Wehrmachtsdeserteur)
Das Unrecht an den Deserteuren
von Ludwig Baumann
http://www.sopos.org/aufsaetze/41a6e4ba4081a/1.phtml
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